Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
noch mit dem Gurtschloss hantierte. Der Mann hatte wirklich Manieren, das musste sie ihm lassen, aber das war ihr schon früher in diesem Sommer aufgefallen. Und das galt auch für Decker und Mortimer – und sogar für Anders, den wortkargen Mann mit dem staubtrockenen Sinn für Humor. Jo griff nach Brickers Hand und ließ sich aus dem Wagen helfen. Auf dem Gehweg angelangt, schlug sie ihm vor: »Ihr könnt immer noch nach Hause fahren und Mortimer erzählen, dass ihr mich aus den Augen verloren habt.«
»Oh ja, das wird er uns auch aufs Wort glauben«, meinte Bricker lachend und warf die hintere Tür zu. Jo grinste ihn an und wandte sich mit einem lässigen Schulterzucken ab. »Dann viel Spaß!«
Sie hatte fast damit gerechnet, dass er sie bis zum Haus begleitete, um ihr die Tür aufzuhalten, aber als Jo die Haustür erreicht hatte, stand er noch immer am SUV und sah ihr nach. Sie ging hinein und musste unwillkürlich lächeln, als ihr im Hausflur gedämpfte Reggaemusik entgegenwehte. J.J. war also zu Hause. Der Kerl war weiß wie ein Blatt Papier, hielt sich aber für die Reinkarnation eines waschechten Jamaikaners, was sich unter anderem in farbenprächtiger Kleidung und in Dreadlocks äußerte. Außerdem rauchte er Pot, dessen übler Geruch durch das Treppenhaus zog, meistens begleitet von einer Wolke Raumspray, mit dem er den verräterischen Mief zu überdecken versuchte. Schon mehr als einmal hatte sich Jo gefragt, was genau er an der Uni eigentlich studierte, aber bislang war sie noch nicht dazu gekommen, ihn danach zu fragen. Die meiste Zeit über war er so zugedröhnt, dass sich jede Unterhaltung mit ihm äußerst schwierig gestaltete.
Kopfschüttelnd ging sie an der Tür zu seinem Apartment vorbei und die Stufen hinauf zur ersten Etage, wo sich ihre Wohnung befand. Das Erdgeschoss verfügte über zwei Wohnungen mit je zwei Schlafzimmern, im Stockwerk darüber fanden sich dagegen drei Wohnungen mit je einem Schlafzimmer, ihr Apartment war das mittlere. Um dorthin zu gelangen, musste sie an Ginas Wohnung vorbei, die wie üblich die Tür nicht zugemacht hatte, sodass man einen Blick auf die hellgelben Wände, die zahllosen Grünpflanzen und auf Gina selbst werfen konnte, die wie fast immer ihr übergroßes T-Shirt und sonst so gut wie nichts am Körper trug, während sie sich im Wohnzimmersessel zusammengerollt hatte und in der Hand das unvermeidliche Buch hielt. Ginas Hauptfach war Psychologie, und das Buch des heutigen Tages widmete sich der abnormen Psyche. Es war ein Kurs, den Jo als Wahlfach ausgesucht hatte und der ihr durchaus Spaß machte.
Das Geräusch von Jos Schritten ließ Gina aufhorchen. Die blonde junge Frau hob den Kopf, sah Jo und rief: »Yo!« »Yo«, gab Jo zurück und blieb in der Tür stehen. »Wie war denn dein Date gestern? Hat Dan endlich versucht, dich ins Bett zu kriegen?« »Nein.« Gina klappte verärgert das Buch zu, stand auf und kam zur Tür. »Wir haben wunderschön zu Abend gegessen, danach haben wir einen tollen Film gesehen, und dann wurde geküsst. Sogar leidenschaftlich, würde ich sagen. Aber das war auch schon alles.« Sie nahm den Ersatzschlüssel für Jos Apartment vom Haken. »Wir gehen jetzt seit eineinhalb Jahren miteinander. Ich weiß echt nicht, was sein Problem ist. Anfangs fand ich das ja noch ganz süß, dass er mich nicht unter Druck setzen wollte, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass mit ihm was nicht stimmt.... oder mit mir.«
»An dir kann es nicht liegen«, widersprach Jo nachdrücklich, während sie Ginas kurvenreiche Figur betrachtete. Die Frau war groß, ihre Beine nahmen kein Ende, und sie war auch noch hübsch. »Du siehst toll aus, Gina, an dir kann es nicht liegen. Außerdem würden die meisten notfalls ein Fischweib vögeln.... oder ein Loch in der Wand, wenn kein Fischweib zu finden ist.«
»Woran liegt es denn dann?«, jammerte Gina frustriert. »Er sagt, dass er mich liebt. Aber warum will er keinen Sex mit mir? Das ist doch ein ganz natürlicher Ausdruck von Liebe, und für eine funktionierende Beziehung ist Sex unverzichtbar.«
Mitfühlend tätschelte Jo ihren Arm. »Vielleicht ist er schwul und will es nur nicht wahrhaben.«
»Oh Gott!«, keuchte Gina entsetzt. »Meinst du wirklich?« Jo biss sich auf die Unterlippe. »Na ja, es könnten auch Erektionsstörungen oder irgendwas anderes sein. Aber in dem Fall sollte er dir sagen, was los ist, anstatt dich in dem Glauben zu lassen, dass es an dir liegt.«
»Ich weiß nicht. Er
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