Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
gemacht haben, was sie ihm hatte anvertrauen wollen. Allerdings war das alles fünfzig Jahre her, und falls Carol noch lebte, musste sie inzwischen Anfang bis Mitte neunzig sein. Nicholas hegte keine große Hoffnung, Carol noch finden zu können oder von ihr eine brauchbare Antwort zu bekommen, was bedeutete, dass er andere Wege beschreiten musste, um herauszufinden, was Annie ihm Wichtiges hatte sagen wollen.... und Nicholas beabsichtigte nicht, Jo mit sich herumzuschleppen, wenn er diese anderen Wege in Angriff nahm.
Sie hatte Familie, Freunde, die Universität, ihren Job, ihr eigenes Leben, und er konnte ihr nur ein Leben auf der Flucht bieten. Die letzten rund fünfzig Jahre hatte er bereits damit zugebracht, nie lange an einem Ort zu bleiben. Aber wenn er in Erfahrung bringen wollte, was Annie gewusst hatte, dann musste er für eine Weile in Toronto bleiben – und dann wäre es für ihn unmöglich, Mortimer und seine Männer daran zu hindern, auf ihn aufmerksam zu werden. Seine größte Angst war dabei, dass Jo verletzt oder sogar getötet würde, wenn sie versuchen sollte, ihn vor dem Zugriff der Vollstrecker zu schützen.
Nein, dieses Risiko konnte er nicht eingehen.
Leise seufzend richtete sich Nicholas auf und wandte sich von Jo ab. Es war besser so, sagte er sich, als er das Zimmer verließ. Im Wohnzimmer blieb er kurz stehen und nahm den Telefonhörer ab, doch die Leitung war tot. Auch wenn Sam keine Gelegenheit gefunden hatte, um das Apartment unterzuvermieten, hatte sie dennoch daran gedacht, Telefon und Kabelfernsehen zu kündigen. Wasser und Strom mussten wohl Teil der Miete sein, da beides noch nicht abgestellt worden war. Er legte den Hörer wieder auf und verließ die Wohnung. Über die Treppe gelangte er in die Lobby im Erdgeschoss, die verlassen war, als er dort eintraf. Aber er musste nur kurz warten, dann kam eine junge Frau ins Haus, die zu den Klingeln gehen wollte. Schnell drang er in ihren Verstand ein und ließ sie anhalten. Er durchsuchte ihre Gedanken, um zu erfahren, ob sie ein Handy bei sich hatte. Dann befahl er ihr, sich zur Tür umzudrehen, die er für sie aufhielt.
Er ließ sie in der Sitzecke der Lobby Platz nehmen und sich ihr Telefon reichen, dann tippte er die Nummer des Vollstreckerhauptquartiers ein und hielt das Gerät ans Ohr. Eine Frauenstimme meldete sich. »Sam?«, fragte er. Es war die gleiche Stimme, die sich auch gemeldet hatte, als er von der Tierklinik aus angerufen hatte. Er wusste, Jos Schwester lebte zusammen mit Mortimer in diesem Haus. Als sie unüberhörbar überrascht bejahte, räusperte er sich.
»Ich muss Mortimer sprechen.« Nach einer kurzen Pause entgegnete sie höflich: »Und was soll ich ihm sagen, wer ihn sprechen möchte?« »Gib den Hörer einfach an ihn weiter, Sam«, forderte er sie leise auf. »Nicholas?«, fragte sie beunruhigt. »Ich erkenne die Stimme von deinem letzten Anruf wieder. Mortimer hat mir hinterher gesagt, dass du es warst.«
Na großartig!, dachte er und verdrehte die Augen.
»Wo ist meine Schwester?«, wollte sie prompt wissen. »Gib mir Mortimer, dann sage ich ihm, wo sie ist, damit er sie abholen kann«, erwiderte er geduldig. »Geht es ihr gut?« Jetzt klang Sam besorgt, und Nicholas wünschte, irgendwer anders wäre ans Telefon gegangen. »Es geht ihr bestens, Sam. Sie schläft im Moment, und jetzt gib mir bitte Mortimer.« »Mortimer sagt, dass sie deine Lebensgefährtin ist.« Zwar hörte es sich wie eine Frage an, aber er wusste, so war es nicht gemeint.
»Ja, Sam. Jo ist meine Lebensgefährtin«, bestätigte er und wunderte sich gar nicht, dass sie laut zu fluchen begann. »Ich weiß, das ist nicht ganz das, was du dir erhofft hast, als du dir vorgenommen hast, für deine Schwester einen Lebensgefährten zu finden.« »Da hast du verdammt recht«, herrschte Sam ihn an. »Du bist ein Abtrünniger.« »Tja, niemand ist vollkommen«, entgegnete er lakonisch. »Ha, ha, sehr witzig«, konterte sie frostig. »Lass mich mit ihr reden.«
»Sam«, sagte er und spürte, wie sie seine Geduld zu strapazieren begann. »Ich versuche gerade, sie zu euch zurückschaffen zu lassen, wo sie in Sicherheit ist. Wenn du mich mit Mortimer sprechen lässt, werde ich ihm sagen, wo Bricker und er sie abholen können. Jetzt gib endlich den gottverdammten Hörer weiter, damit....«
»Nicholas?« Als er die Männerstimme hörte, stutzte er kurz. »Mortimer?« »Ja. Wer ist M. Johansen?« »Was?«, fragte Nicholas ratlos. »Der Name auf dem
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