Vampire schlafen fest
hatte man mich bei den Verhandlungen nicht gebraucht. Aber wer weiß, wie das den restlichen Abend laufen würde, dachte ich gerade, als die Königin durch die Flügeltüren am Ende des Saals trat, in Begleitung von Andre und Sigebert. Sie trug einen saphirblauen Hosenanzug aus Seide und dazu ein herrliches Diamantcollier und kleine Diamantohrringe. Ihr Stil hatte absolut Klasse, elegant, schlank, perfekt. Andre kam schnurstracks auf mich zu.
»Ich weiß«, begann er, »oder besser, Sophie-Anne hat mir erklärt, dass ich mich Ihnen gegenüber falsch verhalten habe. Es tut mir nicht leid, denn ich würde alles für meine Königin tun. Andere bedeuten mir nichts. Aber ich bedaure, dass ich es nicht unterlassen konnte, Ihnen Kummer zu bereiten.«
Tja, wenn das eine Entschuldigung war, dann ja wohl die halbherzigste, die ich je in meinem Leben erhalten hatte. Sie ließ fast alles zu wünschen übrig. Darauf gab es nur eine Antwort: »Ich habe es gehört.« Mehr würde ich von Andre nie bekommen.
Mittlerweile stand Sophie-Anne vor mir. Ich deutete eine Verneigung an. »In den nächsten Stunden brauche ich Sie in meiner Nähe«, sagte sie und musterte meine Kleidung von oben bis unten, als hätte ich mich ruhig etwas schicker machen können. Konnte ja keiner ahnen, dass der Teil des Abends, der mit »Handel« überschrieben war, Abendgarderobe erforderte.
Mr Cataliades, der in einem schönen Anzug mit dunkelrot-goldener Seidenkrawatte auf mich zugestürmt kam, rief: »Gut, Sie zu sehen, meine Liebe! Ich erkläre Ihnen kurz, worum es im Folgenden gehen wird.«
Ich breitete die Arme aus, um zu zeigen, dass ich bereit war. »Wo ist eigentlich Diantha?«, fragte ich beiläufig.
»Sie kümmert sich um irgendeine Angelegenheit des Hotels.« Mr Cataliades runzelte die Stirn. »Eine höchst seltsame Angelegenheit. Anscheinend gibt es im Keller einen Sarg zu viel.«
»Wie kann das sein?« Särge gehörten immer jemandem. In der Regel reisten Vampire nicht mit einem Ersatzsarg, so wie man Ersatzkleidung oder Ersatzschuhe mitnahm. »Warum hat man sich damit an Sie gewandt?«
»Es hing eines unserer Schilder daran«, sagte er.
»Aber all unsere Vampire sind doch eingecheckt, oder nicht?« Ich spürte eine Beklemmung in der Brust. In diesem Moment sah ich die üblichen Kellner durch die Menge eilen und sah, wie einer mich entdeckte und sich sofort abwandte. Dann entdeckte derselbe Kellner Barry, der mit dem König von Texas hereingekommen war, und wandte sich erneut ab.
Ich wollte schon einem Vampir in seiner Nähe zurufen, er solle den Kerl festhalten, damit ich mir seine Gedanken ansehen konnte. Herrje, dachte ich gerade noch rechtzeitig, ich begann bereits, mich genauso selbstherrlich aufzuführen wie die Vampire. Der Kellner verschwand, und ich hatte mir nicht mal seine Gesichtszüge eingeprägt. Wer weiß, ob ich ihn unter den vielen gleich gekleideten Kellnern überhaupt wiedererkennen würde. Mr Cataliades redete weiter. Ich hob die Hand und murmelte: »Eine Sekunde.« Das schnelle Sichabwenden des Kellners hatte mich an etwas erinnert, an etwas ziemlich Seltsames.
»Hören Sie mir bitte zu, Miss Stackhouse«, entgegnete der Rechtsanwalt, und ich musste meinen Gedanken gleich wieder fallen lassen. »Folgendes haben Sie zu tun: Die Königin wird einige Geschäftsverhandlungen führen, da sie Hilfe beim Wiederaufbau ihres Staates braucht. Tun Sie einfach, was Sie am besten können, und finden Sie heraus, ob alle Verhandlungspartner ehrbare Leute sind.«
Hm, keine sonderlich eindeutige Anweisung. »Ich tu mein Bestes«, versprach ich. »Aber Sie sollten nach Diantha sehen, Mr Cataliades. Ich finde diese Sache mit dem Sarg, von dem da die Rede ist, höchst merkwürdig. Übrigens gab es auch einen Koffer zu viel, den ich in die Suite der Königin gebracht habe.«
Mr Cataliades sah mich verständnislos an. Das Problem herrenloser Särge und Koffer in Hotels hielt er eindeutig für vernachlässigungswürdig, damit sollten sich andere beschäftigen.
»Hat Eric Ihnen von der ermordeten Frau erzählt?«, fragte ich. Das immerhin erregte seine Aufmerksamkeit.
»Ich habe Meister Eric heute Abend noch nicht gesehen«, sagte er. »Aber ich werde ihm sicher noch begegnen.«
»Irgendwas ist im Busche. Ich weiß nur nicht, was«, murmelte ich mehr oder weniger vor mich hin. Und dann drehte ich mich um und folgte Sophie-Anne.
Der »Handel« fand in einer Art Basar-Ambiente statt. Sophie-Anne stellte sich an den Tisch, an dem Bill
Weitere Kostenlose Bücher