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Vampire schlafen fest

Vampire schlafen fest

Titel: Vampire schlafen fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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dem Boden und weinte immer noch.
    Aber ich warf einen Blick auf das, was der weggerutschte Schutt freigegeben hatte.
    Bill lag zusammengekauert inmitten der Trümmer, das halbe Gesicht weggebrannt. Er trug noch die Sachen, in denen ich ihn am Abend zuvor gesehen hatte. Ich beugte mich über ihn, um ihn vor der Sonne zu schützen. Mit krächzender Stimme und blutigen Lippen flüsterte er: »Danke.« Er war nicht richtig wach und glitt immer wieder in seinen komatösen Tagesschlaf.
    »Hierher! Hilfe!«, schrie ich und sah in der Ferne bereits zwei Feuerwehrleute mit Decken auf mich zurennen.
    »Ich wusste, du findest mich«, flüsterte Bill. Oder habe ich mir das bloß eingebildet?
    Ich blieb in meiner verkrampft vorgebeugten Haltung, denn es war nichts Greifbares in der Nähe, womit ich ihn hätte schützen können. Der Geruch verursachte mir Übelkeit, aber ich blieb. Bill hatte nur überlebt, weil er zufällig von Schutt bedeckt gewesen war.
    Einer der Feuerwehrleute musste sich übergeben, doch sie wickelten ihn in Decken und trugen ihn weg.
    Dann sah ich eine andere Gestalt mit gelber Jacke quer über das Trümmerfeld auf einen Rettungswagen zueilen. Mich erreichten die Gedankenströme eines lebenden Hirns unweit des Helfers, und ich erkannte es sofort.
    Über die Schutthaufen hinwegkletternd folgte ich dem charakteristischen Gedankenmuster des Mannes, den ich am dringendsten zu finden hoffte. Quinn und Frannie lagen halb begraben unter einem Haufen losen Schotters. Frannie war bewusstlos und hatte eine blutende Kopfwunde gehabt, das Blut war aber schon verkrustet. Quinn war benommen, kam jedoch gerade zu sich. Eine Spur wie von frischem Wasser zog sich durch sein staubbedecktes Gesicht. Der Mann, der eben davongeeilt war, hatte ihm offenbar zu trinken gegeben und kehrte jetzt mit zwei Tragen zurück.
    Quinn versuchte, mich anzulächeln. Ich fiel auf die Knie. »Kann sein, dass wir unsere Pläne ändern müssen, Liebling«, sagte er. »Ich werde mich wohl ein, zwei Wochen lang um Frannie kümmern müssen. Unsere Mutter ist nicht gerade eine Florence Nightingale.«
    Ich versuchte, nicht zu weinen, doch wenn die Schleusen erst mal geöffnet sind, gibt's kein Halten mehr. Immerhin schluchzte ich nicht, auch wenn mir die Tränen unaufhörlich über das Gesicht rannen. So was Dämliches. »Du tust, was du tun musst«, erwiderte ich. »Ruf mich so bald wie möglich an, okay?« Ich hasse Leute, die dauernd überall ein »Okay« anhängen, als bräuchten sie die Zustimmung anderer. Aber auch das konnte ich gerade nicht vermeiden. »Du lebst, das allein zählt.«
    »Danke«, sagte Quinn. »Wenn du nicht angerufen hättest, wären wir tot. Nicht mal der Feueralarm hätte uns noch rechtzeitig aus dem Zimmer gescheucht.«
    Einen Meter entfernt hörte ich ein leises Stöhnen. Quinn hörte es auch. Ich kroch ein Stück weg von ihm und schob eine Toilette und ein Waschbecken zur Seite. Und dort lag, unter mehreren Schichten von Gipsschutt und Staub, Andre, bewusstlos. Ein kurzer Blick verriet, dass er verschiedene schwere Verletzungen hatte. Aber keine davon blutete, und alle würden wieder verheilen. Verdammt.
    »Es ist Andre«, rief ich Quinn zu. »Verletzt, aber nicht tot.« Falls meine Stimme missmutig klang: Genau so fühlte ich mich. Direkt neben Andres rechtem Bein lag ein schöner langer Holzsplitter, und ich kam ein wenig in Versuchung. Andre war eine Bedrohung für meinen freien Willen, ja, für alles, was mein Leben ausmachte. Aber ich hatte schon zu viele Tote gesehen an diesem Tag.
    Widerwillig hockte ich neben ihm. Ich hasste ihn, aber was soll's ... immerhin kannte ich ihn. Das hätte es mir leichter machen sollen, doch das tat es nicht.
    Geduckt kam ich aus dem kleinen Schuttalkoven wieder heraus, in dem er lag, und krabbelte zurück zu Quinn.
    »Die Sanitäter kommen gleich und holen uns«, sagte er zu mir. Er klang von Minute zu Minute kräftiger. »Du kannst ruhig gehen.«
    »Du willst, dass ich gehe?«
    Er versuchte, mir mit Blicken etwas zu sagen, aber ich verstand es nicht.
    »Okay«, sagte ich zögernd. »Dann gehe ich.«
    »Mir wird gleich geholfen«, erwiderte er sanft. »Du könntest noch andere finden.«
    »In Ordnung.« Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte, und stand auf. Ich war vielleicht zwei Meter gegangen, als ich hörte, wie er sich bewegte. Doch einen Augenblick später war schon wieder alles still. Ich setzte meinen Weg fort.
    Ich ging zu einem großen Van, der herangefahren und

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