Vampire sind die beste Medizin: Argeneau Vampir 9
das ist eine wirklich glaubwürdige Geschichte!“ Julius und Marcus warfen sich vielsagende Blicke zu, als Marzzia Notta ihre Worte mit einer dramatischen Geste unterstrich und in der Bibliothek auf und ab ging. Sie hatten gewusst, dass die Frau so reagieren würde, denn von seinen Eltern war sie der deutlich aufbrausendere Teil. Sein Vater Nicodemus dagegen war stets die Ruhe selbst. Weil abzusehen gewesen war, dass seine Mutter sich eben nicht so gut im Griff haben würde, hatte er sie beide aus dieser Angelegenheit heraushalten wollen, bis er sie gelöst hatte. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass sie so bald zu ihm nach Hause kommen würden. Dabei hatte er nur seinen Vater angerufen, um ihn zu fragen, ob man ein Drei-zu-eins bei einem Unsterblichen vornehmen konnte und welche Folgen das möglicherweise hatte.
Dummerweise waren seine Eltern nicht zu Hause gewesen, als er anrief, und er hatte den Fehler gemacht, eine Nachricht auf Band zu sprechen. Die hatte offenbar genügt, um das Interesse seines Vaters so sehr anzustacheln, dass er sich auf den Weg zu Julius gemacht hatte, um mehr zu erfahren. Seine Mutter schnalzte angewidert mit der Zunge. „Die Wahrheit sieht doch wohl so aus, dass ihr geliebter Jean Claude jetzt tot ist und sie sich entschlossen hat, sich an dich heranzumachen.“
„Er war nicht ihr geliebter Jean Claude. Die beiden waren nicht mal Lebensgefährten!“, widersprach Julius, obwohl er gar nicht wusste, warum er sich überhaupt so viel Mühe machte. Schließlich hatte er ihr das erst vor ein paar Minuten alles ausführlich erklärt.
„Woher willst du das wissen?“, fragte sie herablassend und drehte sich zu ihm um. „Du kannst sie doch gar nicht lesen!“
„Aber ich kann sie lesen“, erklärte Marcus und lenkte ihren wütenden Blick auf sich.
Nicodemus hatte sich das alles schweigend angehört, nun ging er zu seiner Frau, legte einen Arm um sie und zog sie auf eine Weise an sich, die sie sofort zu beruhigen schien. An Marcus gewandt fragte er: „Und du bist dir ganz sicher, dass ihre Erinnerungen verschwunden sind?“
Marcus nickte ernst.
„Wie soll das möglich sein?“, wunderte sich Marzzia ungläubig. „Kann es nicht sein, dass sie einfach ihre Gedanken abgeschirmt hat?“
„Nein“, erwiderte er mit Nachdruck. „Ich habe sie in Amerika und in England mehrere Male gelesen. In Kalifornien habe ich mich sogar in ihr Zimmer geschlichen, als sie schlief, um sie zu lesen, wenn sie ganz sicher keine Barrieren errichten konnte.“
Als er das hörte, zog Julius eine finstere Miene. Diesen Punkt hatte ihm Marcus bislang verschwiegen, doch bevor er dazu etwas sagen konnte, fuhr der fort: „Marguerite Argeneau kann sich weder an uns noch an diese Zeit erinnern. Auch nicht an die zwanzig Jahre, in denen Jean Claude verschwunden und für tot gehalten worden war. Womit sich die Frage stellt, warum die Erinnerung an diese Zeit gelöscht wurde, wenn sie Julius bewusst verlassen haben und zu Jean Claude zurückgekehrt sein soll.“
Marzzia schwieg und machte eine besorgte Miene. Von Nicodemus kam schließlich die Frage: „Sind die Erinnerungen einfach komplett verschwunden? Oder finden sich an ihrer Stelle andere Erinnerungen?“
Bei diesen Worten kniff Julius argwöhnisch die Augen zusammen. Es hörte sich ganz so an, als sei sein Vater einem bestimmten Verdacht auf der Spur.
„Sie kann sich vage an eine Reise durch Europa gemeinsam mit Jean Claude erinnern“, antwortete Marcus. „Aber das liest sich mehr wie ein Gedanke, nicht wie eine echte Erinnerung.“
„Dann wurde es als etwas anderes in ihr Gedächtnis eingefügt“, überlegte Nicodemus.
„Allerdings wäre dazu ein Drei-zu-eins erforderlich“, wandte Julius’ Mutter ein. „So etwas ist schon bei einem Sterblichen gefährlich. Aber bei einem Unsterblichen? Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das hätte sie umbringen können. Kein Unsterblicher würde einem solchen Unterfangen zustimmen.“
„Sag das nicht“, murmelte Nicodemus. Marzzia dachte kurz über die Möglichkeit nach, dann jedoch seufzte sie. „Es ändert letztlich nichts. Nur weil sie sich nicht daran erinnern kann, entschuldigt das nicht ihr Handeln.“
„Sofern es ihr eigenes Handeln war“, hielt Julius dagegen, woraufhin sie ihn überrascht und im nächsten Moment mitleidig ansah.
„Mein Sohn“, sagte Marzzia traurig. „Ich weiß, du hast sie geliebt, aber sie war nicht diejenige, für die sie sich ausgegeben hat. Sie hat uns alle zum
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