Vampire sind die beste Medizin: Argeneau Vampir 9
glühenden Augen an. Als sie an ihm vorbei aus dem Zimmer stürmte, versuchte er gar nicht erst, sie aufzuhalten. Sie ging nach oben und spürte, wie ihr die Blicke der anderen folgten.
Sie begab sich geradewegs in ihr Zimmer, schloss die Tür hinter sich und stand einen Moment lang da, während die Stille von allen Seiten auf sie einstürmte.... bis in ihrem Kopf tausend Stimmen gleichzeitig zu reden begannen.
„Du siehst aus wie Christians Mutter“, spotteten sie.
„Julius muss sie sehr geliebt haben, wenn er immer noch ihr Bild besitzt. Sie war seine wahre Lebensgefährtin, du siehst ihr bloß ähnlich.“
„Wahrscheinlich kann er dich lesen und hat nur das Gegenteil behauptet, weil er dich haben wollte.... weil du aussiehst wie seine wahre Lebensgefährtin.“
„Jedes Mal, wenn er dich geliebt hat, waren seine Gedanken bei ihr.“
„Jedes Mal, wenn er dich berührt hat, hat er sich vorgestellt, sie zu berühren.“
„Dich will er eigentlich gar nicht. Du bist nur eine Platzhalterin.“
„Es ist genauso wie bei Jean Claude.“
Sie sollte weggehen, überlegte sie. Sie sollte von dort verschwinden, nach.... nach irgendwohin. Irgendwo würde sich schon ein Ort finden lassen, wo sie allein sein und ihre Wunden lecken konnte. Sie ließ ihren Blick durch das Schlafzimmer schweifen und blieb prompt am Bett hängen, das sie unweigerlich daran erinnerte, wie sie beide sich geliebt hatten. In ihr erwachte die Sehnsucht, von ihm in den Armen gehalten, geküsst und geliebt zu werden.... gehalten, geküsst und geliebt zu werden.... Vielleicht würde es mit ihm anders sein als mit Jean Claude. Vielleicht....
Fluchend ging sie zum Kleiderschrank, suchte ein paar Sachen heraus und zog sich hastig an. Sie hielt kurz inne, um zu Atem zu kommen, und sah sich dabei ein weiteres Mal um. Sie musste zurück nach Hause, doch ihr fehlten die Energie und auch der innere Antrieb, ihre Sachen zu packen. Aber vielleicht war es besser, wenn sie sich ohne Gepäck auf den Heimweg machte. Ihre Kleider würden sie ohnehin nur an Julius erinnern. Auf dem Weg zur Tür blieb sie abrupt stehen. Die Männer waren unten im Wohnzimmer, und sie würde es nicht unbemerkt an ihnen vorbei zur Haustür schaffen.
Seufzend fiel ihr Blick auf die dunklen Vorhänge. Sie ging hinüber und schob den schweren Stoff zur Seite. Als grelles Sonnenlicht ins Zimmer fiel, machte sie erschrocken einen Satz zur Seite und sah zum Himmel. Die Sonne stand hoch über ihr, und als sie auf den Digitalwecker auf dem Nachttisch schaute, fand sie bestätigt, dass es noch nicht Mal ein Uhr am Mittag war.
Kein Wunder, dass sie so erschöpft war, wenn sie kaum Schlaf bekommen hatte, überlegte sie und betrachtete nachdenklich die Gasse, die vor dem Haus verlief. Das eine Stockwerk stellte für einen Sprung aus dem Fenster eine unbedenkliche Höhe dar, wenn sie auf diese Weise vermeiden konnte, von Julius aufgehalten zu werden.
Als sie zur Tür schaute, kam ihr Tiny in den Sinn. Sie fühlte sich verletzt, weil der Sterbliche, den sie inzwischen als ihren Freund bezeichnen konnte, nicht hergekommen war, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Dass er lieber bei den Nottes blieb, kam ihr wie ein Verrat vor. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Fenster.
Das Gebäude war jahrhundertealt, aber die Fenster waren noch so gut wie neu. Vermutlich hatte man sie aus Energiespargründen eingebaut. Marguerite legte den Hebel um Energiespargründen eingebaut. Marguerite legte den Hebel um und zog das Fenster auf, schaute einmal kurz nervös nach oben zur Sonne und kletterte nach draußen. Auf der Fensterbank sitzend ließ sie die Beine baumeln, dann stieß sie sich ab. Mit angewinkelten Knien landete sie auf dem Gehweg vor dem Haus, ihre Gelenke federten die Landung mühelos ab.
„Sie werden es erklären, und zwar jetzt und hier! Marguerite verdient es, die Wahrheit zu erfahren!“ Die gedämpften Worte klangen eindeutig nach Tinys wütender Stimme. Als sie sich umdrehte, wurde ihr klar, dass sie genau vor dem Küchenfenster stand – und dass die Männer soeben in die Küche kamen. Zu ihrer Freude konnte sie hören, wie Tiny Julius Notte zur Rede stellte und nicht etwa gemeinsame Sache mit ihm machte. Diese Erkenntnis hätte sie beinah dazu veranlasst, ins Haus zurückzukehren und den Sterblichen mitzunehmen.
Trotzdem entschied sie sich dagegen, denn sie wollte nicht noch einmal Julius gegenübertreten. Sie würde Tiny auf seinem Mobiltelefon anrufen, sobald
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