VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
vor Travis’ Anblick zurück.
Sein Gesicht ist geschmolzen. Seine Augen sind nur noch eine gallertartige Masse, in sich zusammengeflossenes Zeug, weiß und rot. Seine Nase sieht aus, als sei sie ein Silikonklecks. Seine Lippen sind einfach nicht mehr da.
»Geh!«, nuschelt er, die Fangzähne sind ausgefahren. »Geh wech, lahs’ mich!«
Lori zieht mich ein paar Schritte von ihm weg. »Er will sterben«, wispert sie, als ob er sie nicht trotzdem hören könnte. »Er möchte, dass wir ihn hier in der Gasse lassen, wo die Sonne ihn verbrennen kann.« Lori umklammert meinen Arm. »Das dürfen wir nicht tun, nicht wahr? Das können wir doch nicht zulassen!«
»Nein, sicher nicht.« Die Cops würden ihn lange vor dem Morgen finden. Sie würden ihn in ein Krankenhaus bringen, wo er in aller Öffentlichkeit in Flammen aufginge.
»Dann wirst du ihm helfen?« Lori wischt sich die Tränen vom Gesicht und schluckt ein Schluchzen hinunter. »Gibst du ihm von deinem Zauberblut?«
Über meine Schulter werfe ich einen Blick zurück auf das gähnende Loch, das alles ist, was von Travis’ Mund übrig geblieben ist. »Das ist nicht nur eine Verbrennung wie bei Shane. Sein ganzes Gesicht ist weg!«
»Das weiß ich auch!« Ihr Flüsterton gleitet zunehmend ins Hysterische ab. »Wir müssen es versuchen!« Sie gräbt ihre Fingernägel in mein Handgelenk, als sie es umklammert. »Ich weiß, die Gasse hier ist alles andere als eine sterile Umgebung. Aber David kann dir ja später ein Antibiotikum geben!«
Travis’ Kehle entringt sich ein gurgelnder, erstickter Schmerzensschrei. Sein Atem rasselt, jeder Atemzug klingt, als wäre es sein letzter. Bei dem Gedanken daran, was wohl passiert, wenn ein Vampir ganz langsam krepiert, bekomme ich eine Gänsehaut.
»Ciara, bitte!« Loris Stimme ist schrill. »Er wird’s nicht einmal mehr bis zum Sonnenaufgang schaffen, wenn wir nichts unternehmen!«
Sie hat recht. Travis gehört sicher nicht zu meinen Freunden, Lori dafür umso mehr. Ich könnte nicht mit ansehen, wie sie ihm beim Sterben zusehen muss.
Ehe ich es mir anders überlegen kann, marschiere ich zurück zu Travis und schäle mich dabei schon aus dem Mantel. »Ich kann es nicht fassen, dass ich dir jetzt echt zum zweiten Mal das Leben retten muss!«, murmele ich. »Und dabei kann ich noch nicht einmal behaupten, dass ich dich sonderlich mag!«
Ich schiebe meinen rechten Ärmel nach oben, beuge mich vor und halte ihm meinen Unterarm direkt vor den Mund.
Gleich unterhalb des Ellbogens jagt mir Schmerz wie ein Stromstoß durch Haut, Muskeln und Sehnen. Heftig ringe ich nach Luft und kralle meine Hand in die Ziegelmauer gleich neben mir, damit ich nicht schreie. Die Schmerzen sind hundert Mal schlimmer als bei Shanes Biss, hundert Millionen Mal schlimmer als bei Noah. Meine Adern scheinen durch Fleisch und Haut herausgerissen zu werden – genauso fühlt es sich an.
Eine warme, zähe Flüssigkeit fließt mir den Arm hinunter und an meinen Fingern entlang. Das ist zu viel. Ich will Travis meinen Arm entreißen, aber er packt meinen Ellbogen fester. Dann graben sich die Finger seiner anderen Hand in meine Schulter. Er zieht mich zu sich herunter, bis ich halb über seiner Schulter hänge, Oberkörper und Gesicht an seinem Rücken. Ich spüre, wie Travis unter mir zittert und bebt.
»Nein …« Meine Stimme klingt weit weg, ganz schwach und dünn; das Sirenengeheul, das sich nähert, trägt sie mit sich fort. Lori kauert sich auf Travis’ andere Seite, macht sich klein. Uns alle verbirgt jetzt der riesige Pappkarton.
Einen Block weit entfernt jagt der Streifenwagen unter Sirenengeheul vorbei; es wird leiser und leiser, bis schließlich wieder Stille einkehrt. Nur noch Travis’ Schlürfen und Schlucken ist zu hören. Bei jedem Schluck rollt eine neuerliche Schmerzwelle über mich hinweg.
Mein Kopf wird ganz schwer. Mir ist, als reiße die Ebbe mich hinaus auf hohe See. Unter großer Anstrengung presse ich die Worte hervor:
»Lori … er soll … aufhören.«
Lori redet auf Travis ein, ihr Ton ist angespannt und drängend. Mein Kopf schmerzt viel zu sehr. Daher vermag ich nichts außer ihrem flehenden Tonfall wahrzunehmen.
Endlich, endlich lässt Travis von mir ab. Aber ich kann mich nicht bewegen, bleibe über seiner Schulter zusammengebrochen liegen. Lori nimmt mich an den Schultern und zieht mich von Travis herunter.
»Oh Gott«, sagt sie. »Oh Gott, Ciara, es tut mir so leid!«
»Was?« Ich will mir meinen Arm ansehen,
Weitere Kostenlose Bücher