VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
vorgestellt haben. Vier weitere Namen haben mit Ned den Nachnamen gemeinsam, und die unter diesen Namen verzeichneten Adressen befinden sich alle in Chicago. Ich vermute daher sicher zu Recht, dass diese vier zu Neds Familie gehören. Nur zwei Namen auf der Liste sind noch offen, ›Stevenson‹ und ›B.‹, was alles ist, was Ned in den jeweiligen Kontakt als Daten eingetragen hat.
Dr. Shelby nickt Kevin aufmunternd zu, und Kevin wendet sich wieder an Lori.
»Wir dürfen nicht in die emotionale Sklaverei rutschen! Dein Vampir-Freund bringt es fertig, dass du dich richtig gut fühlst. Ich weiß das. Ich weiß, dass du meinst, ohne ihn wärst du verloren.« Er fasst sich an die Brust. »Ich hab’s selbst erlebt.«
Ich beobachte Lori, die mit großen Augen an Kevins Lippen hängt, während er spricht. In meiner Jackentasche meldet sich mein Handy, das auf Vibrationsalarm gestellt ist. Es signalisiert mir, dass ich eine SMS bekommen habe. Ich fische es heraus und halte es möglichst unauffällig und vor den Blicken anderer verdeckt in der Handfläche. Ich schiele aufs Display. Die SMS ist von Travis; sie lautet:
STEVENSON = FAN VP
Mit hochgezogenen Augenbrauen verdaue ich die Überraschung: Ned kennt den Vizepräsidenten von Family Action Network? Hauptgewinn!
Dr. Shelby räuspert sich leise. Als ich aufschaue, bemerke ich, dass sie mich beobachtet hat und mir einen strengen Blick zuwirft. Ich lasse das Handy zurück in die Jackentasche gleiten und konzentriere mich wieder auf Kevin, der endlich auf den Punkt kommt.
»Wir haben wirklich Besseres verdient«, meint er gerade. »Wir haben es verdient, mit Respekt behandelt zu werden. Schließlich sind wir immer noch Menschen.« Beim letzten Wort verzieht er die Lippen, wie ein bigotter Rassist, der sagt: ›Schließlich sind wir alle Weiße.‹
»Was meinst du damit?«, frage ich ihn.
Seine Augen werden schmal, als er mich anblickt. »Diese Monster behandeln uns wie Lebendvieh. Aber eigentlich wär’s besser, man triebe sie zusammen.«
»Um dann was zu tun?«
Dr. Shelby mischt sich ein. »Das lenkt uns vom eigentlichen Thema ab. Lori, glauben Sie, dass Kevin recht hat? Glauben Sie, dass jeder von uns aus eigener Kraft glücklich zu werden vermag, selbst wenn es bedeutet, dass wir das loslassen müssen, was wir selbst zu brauchen glauben?«
Lori runzelt die Stirn. Dann blickt sie zu mir herüber. »Ja, schon, klar.« Sie reibt sich die linke Schulter. »Aber das ist nicht, was Kevin gesagt hat. Kevin glaubt, dass Menschen was Besseres sind als Vampire.«
»Das sind wir doch auch!« Kevin fixiert Lori mit seinem Blick, einem Blick, der solche Intensität hat, dass ich sie vor ihm abschirmen möchte. Aber Lori ist kein Kälbchen, das sich leicht einschüchtern ließe.
»Sie waren selbst mal Menschen«, hält sie Kevin entgegen. »Manche von ihnen sind nicht einmal in der Lage, zu sagen, wo der Unterschied liegt.«
»Sie trinken Blut.« Kevin hebt in einer abwehrenden Geste die Hände. »Menschen tun so etwas nicht.«
»Jeder von uns tut etwas, was andere nicht tun. Meine Familie stammt aus Finnland. Wir essen mustamakkara , Rentier-Blutwurst. Aber das macht uns nicht schlechter oder besser als andere.«
»Ein Vampir zu sein ist doch nicht dasselbe, wie aus Finnland zu stammen.« Wie Waagschalen hebt und senkt Kevin die Handflächen, als könne man exakt abwiegen, was er gerade gesagt hat. »Vampire sind, metaphysisch betrachtet, eine andere Spezies.«
Wieder mischt sich Dr. Shelby ein. »Wir sind nicht hier, um eine philosophische Debatte zu führen. Wir sind hier, um einander zu helfen. Wir wollen emotionale Blockaden durchbrechen, die uns davon abhalten, ein vampirfreies Leben zu führen.«
Das Psycho-Gelaber reizt mich zum Lachen. Ich ringe krampfhaft um Fassung.
Die ›Therapeutin‹ wendet sich an mich. »Was ist mit Ihnen, Ciara? Sind Sie jetzt bereit, uns Ihre Geschichte zu erzählen?«
Ich beginne mit der Wahrheit. Das macht das Ganze etwas einfacher. Im Übrigen hat jede Lüge sowieso einen Sahnenougat-Kern aus Wahrheit.
»Ich habe auf die harte Tour erfahren, dass der Kerl, mit dem ich gehe, ein Vampir ist. Er hat mich gebissen, als wir … ähm, intim waren. Ohne meine Erlaubnis.«
Einer der Männer in der Runde zieht scharf die Luft durch die Zähne ein. Ich verberge meinen Ärger darüber und fahre fort.
»Wir hatten also einen ziemlich holprigen Start. Aber wir haben über die Sache gesprochen, und ich habe ihm klargemacht, dass ich
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