Vampire und andere Katastrophen: Argeneau Vampir 11
Allerdings lag der Stoff so dicht an seiner Haut, dass er unmöglich einen Druckverband angelegt haben konnte, um die Blutung zu stillen. Kurz entschlossen griff Dani das Hemd und hob es an. Darunter war ein Loch in der Schulter zu sehen. Ringsum klebte getrocknetes Blut auf seiner nackten, durchaus männlichen Brust.
Sie zwang sich dazu, Letzteres zu ignorieren und sich stattdessen auf die Wunde zu konzentrieren. Es sah so aus, als hätte sich die Kugel ihren Weg durch die Muskeln unterhalb des Schulterblatts gebahnt, dabei jedoch keinen Knochen getroffen. Zumindest das war eine gute Neuigkeit. Ansonsten hätte die Wunde wahrscheinlich stärker geblutet. Auf jeden Fall musste er irgendetwas unternommen haben, um die Blutung zu stoppen, denn die hörte bei einer solchen Verletzung ganz sicher nicht von selbst auf.
„Lassen Sie das“, murmelte Decker und schob ihre Hand beiseite, sodass sie sein Hemd loslassen musste. „Ich muss fahren.“
„Ja, aber eigentlich sollten Sie das nicht“, gab sie mit entschiedenem Tonfall zurück. „Halten Sie an, damit ich mir die Verletzung genauer ansehen kann. Ihr Freund kann fahren.“
„Justin“, warf der ein und erinnerte sie an seinen Namen.
Dani ignorierte ihn und zupfte an Deckers Hemd. „Halten Sie an.“
„Nein, mir geht’s gut. Die Kugel hat mich nur gestreift.“
„Von wegen.“ Sie schnaubte. „Die Kugel hat Ihren Musculus subscapularis durchbohrt.“
„Seinen Mus.... was?“
„Seinen Musculus subscapularis“, wiederholte Dani, und als sie Justins ratlosen Blick bemerkte, erklärte sie: „Das ist ein Muskel, der von unterhalb des Schulterblatts bis zur Vorderseite des Oberarms verläuft. Er dreht den Arm nach innen.“
Justin zog verblüfft die Augenbrauen hoch. „Sind Sie Ärztin oder so was?“
„Ja, ganz genau.“ Sie wandte sich wieder Decker zu. „Halten Sie an, damit ich mir Ihre Schulter ansehen kann.“
Er schüttelte den Kopf. „Wir müssen weiterfahren, bis wir wieder Empfang haben. Wir müssen Verstärkung anfordern und herausfinden, wo der SUV ist. Oder haben Sie Ihre Schwester vergessen?“
Dani biss sich auf die Unterlippe, unentschlossen, was sie tun sollte, darauf bestehen, dass er endlich anhielt, oder aber den Mund zu halten. Es hatte ihn erwischt, und mit Schussverletzungen war nicht zu spaßen, schließlich konnte es zu einer Infektion oder im schlimmsten Fall zu einem septischen Schock kommen, bei dem ein fünfzigprozentiges Risiko bestand, dass das Opfer daran starb. Aber sie wollte auch, dass ihre Schwester gerettet wurde, die sich nach wie vor in den Fängen eines der Entführer befand und in diesem Moment vielleicht brutal gequält wurde.
„Ich habe wieder Empfang“, sagte Justin plötzlich und bewahrte sie davor, eine Entscheidung fällen zu müssen.
„Gut“, meinte sie erleichtert, während er sein Telefon hochhielt und sich ganz auf die Displayanzeige konzentrierte. Dann blickte sie zu Decker hinüber. „Jetzt können Sie anhalten, damit ich mir Ihre Schulter ansehe. Ihr Freund kann in der Zwischenzeit telefonieren und den Wagen aufspüren lassen.“
„Wie stark ist das Signal?“, fragte Decker, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.
„Ein Balken. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.“ Decker nickte.
„Du solltest wohl noch ein bisschen mehr Gas geben“, schlug Justin vor. „Du wirst nicht darum herumkommen, dass sie sich deine Schusswunde ansieht. Sie ist Ärztin. Es wäre wohl besser, wenn du sie das so bald wie möglich machen ließest.“
Dani stutzte, als sie den Unterton in seiner Stimme bemerkte. Es war so, als würde er eine wortlose Botschaft an Decker übermitteln, deren Inhalt sich ihr aber nicht erschloss. Decker dagegen hatte ganz offenbar verstanden, was Justin meinte, denn plötzlich gab er Gas. Die Fahrt wurde damit umso holpriger. Dani wurde auf der Ladefläche hin und her geworfen und versuchte verzweifelt, Halt zu finden. Als sie mit dem Fuß gegen ein Hindernis stieß, bekam sie die Gelegenheit, sich an beiden Sitzen festzuklammern. Dann schaute sie über die Schulter, um herauszufinden, wo sie wohl gegengetreten hatte. Ihr Blick fiel auf seltsame Gebilde, die sich unter einer Art Plane abzeichneten.
„Was ist.... ?“, begann sie, machte jedoch gleich wieder den Mund zu, da sie sich fast auf die Zunge gebissen hätte, als der Van über eine Bodenwelle fuhr. Also beschloss sie, selbst nachzusehen, was in dem Wagen transportiert wurde, bevor sie noch ihre Zunge aufs Spiel
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