Vampire's Kiss
eine Hand auf mein Herz, das wie wild zu hämmern begonnen hatte. »Ach du meine Güte! Sie haben mich gefunden.«
Es war eine erschrockene und daher gedankenlose Antwort, doch er reagierte mit einem leisen, kehligen Lachen, als habe ich etwas Witziges, vielleicht sogar Zweideutiges gesagt.
»Sieht ganz danach aus«, entgegnete er lächelnd. Sein Verhalten brachte mich ein wenig aus der Fassung. Ich musterte seine wirre dunkle Mähne, den eng anliegenden Pullover über dem durchtrainierten Körper und die lässige Pose, mit der er am Türrahmen der Bibliothek lehnte, und musste mir eingestehen, dass Master Hugo Alcántara geradezu verboten sexy war.
Ein Kribbeln erfasste mich, und obwohl ich noch keine einschlägigen Erfahrungen hatte, war mir klar, dass sexy die Vorstufe zu Sex war, und Sex mit einem Vampir kam für mich nie und nimmer in Frage. Ich meine, streng genommen waren sie tot, und es konnte durchaus sein, dass das auch für ihre Männlichkeit galt.
Ich räusperte mich und versuchte die sündigen Gedanken zu verdrängen. Leider nahmen sofort ein paar Gruselideen ihren Platz ein. »Woher wussten Sie, dass ich hierherkommen würde?«
»Ich habe deinen Geruch aufgefangen. Er enthielt eine besondere Frische … Vorfreude vielleicht? Jedenfalls verriet er mir, dass du unterwegs warst.« Ein selbstzufriedenes Lächeln huschte über seine Züge. »Zu mir.«
Er ließ die Feststellung im Raum hängen, und das Frösteln, das ich eben noch verspürt hatte, wich einer beunruhigenden Wärme. Ich hielt den Atem an, kämpfte die Benommenheit nieder, dieses Gefühl, dass ich gleich wie eine schlaffe Stoffpuppe in seine Arme sinken würde. Während sich mein Körper zu ihm hingezogen fühlte, schrillten in meinem Kopf sämtliche Alarmglocken. Nein, nein, nein, nein.
Ookaay. Also war Ronan allem Anschein nach nicht der Einzige auf dieser Insel, der die Impulse anderer mit Hilfe magischer Kräfte steuerte.
Nur dass es lächerlich gewesen wäre, Äpfel mit Birnen – oder Ronan mit Alcántara – zu vergleichen. Ronan war Ronan , und ich hegte eine merkwürdige Zuneigung für ihn, vor der ich die meiste Zeit die Augen verschloss.
Während Alcántara …
Hugo Alcántara war ein jahrhundertealtes, untotes, blutgieriges Geschöpf der Nacht, um das ich einen weiten Bogen machen sollte. Eigentlich.
Das peinliche Schweigen fand ein abruptes Ende, als er den Riss in meiner Unterlippe entdeckte. Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Mir kam zu Ohren, dass es einen Zwischenfall gab. Ein Handgemenge mit einer Guidon.«
Ich hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Die Nachricht war ja schnell zu ihm vorgedrungen. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Aber er deutete die Panik in meinen Augen als etwas anderes und stellte die Lage klar. »Solche Dinge bleiben nie lange geheim. Jeder Vampir weiß, wann und warum Blut geflossen ist.« Sein Blick wanderte zu den Schnittwunden an meinen Handflächen, und er versteifte sich. »Aber wie ich sehe, handelte es sich um einen … richtigen Kampf.«
Ich ballte meine übel zugerichteten Hände zu Fäusten. In meinen Adern floss mittlerweile so viel Vampirblut, dass der Heilprozess bereits eingesetzt hatte, und der klebrige Schorf störte mich eigentlich mehr als der Schmerz. »Ich habe schon Schlimmeres erlebt.«
Das größere Problem war eigentlich die Wunde an der Lippe, die mir Dagursson zugefügt hatte. Sie bestand zwar nur aus einem winzigen Riss, war jedoch so lästig wie der Schnitt mit einer scharfen Papierkante. Ich presste die Lippen zusammen, doch das lenkte Alcántaras Aufmerksamkeit erst auf die Verletzung. Er starrte meinen Mund so lange und selbstvergessen an, dass ich verlegen wurde.
»Dennoch bitte ich dich, mit mir zu kommen.« Er ging ein paar Schritte rückwärts in das Dunkel der Bibliothek. Natürlich stockte oder stolperte er kein einziges Mal, sondern war total hoheitsvolle Eleganz. Mit einer weit ausholenden Willkommensgeste bat er mich näher, als wäre er der Hausherr und ich eine Besucherin. »Die Verletzungen müssen versorgt werden.«
Mein Argwohn nahm zu. Warum verhielt er sich so liebenswürdig? Ich war gekommen, weil ich in Schwierigkeiten steckte, und er tat, als wäre das hier eine Art Teestunde. Ich folgte ihm mit steifen, zögernden Bewegungen in die Bibliothek.
Er streckte an mir vorbei den Arm aus, um die Tür zu schließen, und einen Moment lang war er mir so nahe, dass mich sein Körper streifte. Ich
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