Vampire's Kiss
Damit hatte ich das richtige Outfit für eine Bollywood-Tanznummer.
»Gibt es ein Problem, Acari Drew?«
Scheiße. Dag hatte mein Zögern bemerkt. »Nein, Master Dagursson. Ich will nur ganz sichergehen, dass ich die passende Größe ausgesucht habe.« Seit er mir in der ersten Unterrichtsstunde die Lippe aufgerissen hatte, war ich bemüht, mich so höflich und gewählt wie möglich auszudrücken.
»Sehr schön.« Wieder verzog er das Gesicht zu einem breiten Grinsen, das für mich ganz allein bestimmt war. »Ich hätte Sie nämlich heute gern als Partnerin, wenn wir mit dem Kurs die Figuren einüben.«
Ich zwang mich zu einem dünnen Lächeln. »Das wäre mir eine Ehre, Master Dagursson.«
Er schaute auf und wandte sich an die ganze Klasse. »Die plumpen Stiefel stören beim Tanz ganz einfach. Es ist höchste Zeit, dass Sie sich an elegante Ballschuhe gewöhnen.«
Er laberte weiter, aber ich hörte nur halb zu, als ich Platz nahm und die geliebten, gut eingelaufenen Stiefel von den Füßen kickte. Ich schwitzte, weil ich sie bereits seit Stunden trug, und musste mich nun ohne Socken in die neuen Schuhe quälen. Die Riemchen schnitten in Zehen und Knöchel. Ich würde Blasen kriegen, noch bevor die Stunde aus war.
Yasuo beugte sich zu mir herunter. »Meine Treter sind noch schlimmer«, murmelte er.
Ein Blick, und ich wusste, dass er recht hatte. Seine Schuhe waren schlimmer. Lachhafte Oxford-Modelle aus zweifarbigem Lackleder, mit bizarr hohen Blockabsätzen, zwar nicht ganz so hoch wie meine Highheels, aber immerhin Absätze. Ich unterdrückte ein Kichern. »Du siehst aus wie Prince.«
»Oder wie Tom Cruise.« Er ließ eine Fußspitze kreisen. »Damit ich etwas größer wirke, oder?«
»Hör mir bloß damit auf!«, fauchte ich. Meine Schuhe hatten so hohe, dünne Absätze, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich auf der Nase lag.
Yasuo musterte sie mit typisch männlicher Sachkenntnis. »Ich weiß nicht, Blondie, irgendwie finde ich die total heiß. Kann sein, dass du dir einen Knöchel brichst, aber du wirst dabei echt umwerfend aussehen.«
»Auf, auf.« Klatsch, klatsch. »Passen Sie heute ganz besonders gut auf! Denn Sie werden diesen Tanz gegen Ende des Sommers zur Aufführung bringen.«
Wir schauten einander unsicher an. Meinte er damit, dass uns zum Semesterabschluss eine Art Test drohte? Oder meinte er Party, Fete, Prom … Ballabend ?
»Wir werden«, fuhr er fort, »gemeinsam das Ende des Dämmerlichts und die segensreiche Wiederkehr der Dunkelheit feiern. Alle – Vampir-Anwärter, Acari, Eingeweihte, Sucher und Vampire. Und zur Vorbereitung auf dieses Ereignis hat sich Acari Drew freundlicherweise bereiterklärt, heute mit mir die neuen Schritte und Figuren vorzuführen.«
Ich schluckte.
»Hey, krieg dich wieder ein«, flüsterte mir Yasuo zu.
Ich schoss ihm einen wütenden Blick zu. Der Junge konnte von Glück reden, dass ich ihn nicht mit einem meiner neuen Schuhe erdolchte.
Master Dagursson streckte huldvoll die Hand aus und winkte mich heran. »Sie werden bei unserem Fest selbstverständlich einen anderen Partner haben. Doch bis dahin müssen Sie sich mit mir begnügen. Ich hoffe, dass ich Sie nicht allzu sehr enttäuschen werde.«
Ich erstarrte. Einen anderen Partner. Dagursson hatte das so gesagt, als wüsste er etwas, das ich nicht wusste, und ich hegte den leisen Verdacht, dass er mit dem anderen Partner nicht Yasuo meinte. Eine düstere Vorahnung stieg in mir auf, und meine Haut begann zu kribbeln.
Dag ließ sich mittlerweile über Glanz und Glorie des Paso doble aus. »Der Begriff kommt aus dem Spanischen und bedeutet ›Doppelschritt‹ …«
Mein Magen verkrampfte sich. Spanisch. Ich wusste, wer diesen Sonderwunsch geäußert hatte – eine Bestellung eigens für mich.
»Der Paso doble ist ein Ausdruckstanz, bewegt, gefühlsstark, erfüllt von Dramatik. Ein maskuliner Tanz. Er stellt einen Stierkampf dar, in dem der Mann die Rolle des Matadors übernimmt.«
Yasuo bewegte lautlos die Lippen. Häh?
Stierkämpfer , gab ich ebenso lautlos zurück. Ein maskuliner Tanz. Überraschung, Überraschung!
»Die Frau dagegen …« Dagursson legte eine Pause ein, um die Spannung zu erhöhen.
Ich zog eine Augenbraue hoch. Mädels gaben den Stier oder was?
»… tanzt den Part des roten Tuchs«, ergänzte Dagursson. »Auch wenn manche behaupten, sie sei der Schatten des Matadors.«
Was? Ich durfte nicht den Stier spielen? Wir Mädels wurden auf dieser Insel zu einer
Weitere Kostenlose Bücher