Vampire's Kiss
Klamotten vom Leib riss. Die Mädels zogen und zerrten, versuchten den Flanell zu zerfetzen. Ein Ratsch, und plötzlich hatte mein Nachthemd einen Riss vom Kragen bis zum Saum. Eiskalte Luft fuhr unter den Stoff und blähte ihn auf wie ein Zelt.
Ich schlief fast immer in einem Sport- BH und Unterhosen, um morgens nicht lange nach meinen Sachen suchen zu müssen. So war es auch letzte Nacht gewesen, und ich gratulierte mir zu meiner Umsicht.
»Seht euch die fette Kuh an! Zu prüde, um nackt zu schlafen!«
Die Mädels kicherten und spotteten. Wieder spürte ich ihre Hände auf meiner bloßen Haut. Ein Tritt brachte mich ins Stolpern, und ich fing mich gerade noch an einem Baumstamm ab. Rinde bohrte sich unter meine Nägel, als ich um meine Balance kämpfte.
Im nächsten Moment drehten mir die Quälgeister die Arme auf den Rücken und zogen mir das zerrissene Nachthemd über den Kopf. »Seht euch diesen Fettsteiß an!«
Ich hatte mich bemüht, ruhig zu bleiben und den Mund zu halten, um möglichst wenig abzukriegen. Aber in diesem Moment reichte es mir.
Ein Fuß trat mir in den Hintern, und die Mädels krähten im Chor: »Fette Schlampe!«
»Ja, und?«, murmelte ich. Gab es tatsächlich Mädchen, die sich von solchen kindischen Sprüchen verunsichern ließen? »Soll ich jetzt heulen oder was?«
»Dich bringe ich schon noch zum Heulen!« Das war Masha.
Scheiße. Hätte ich nur den Mund gehalten!
Eine andere Guidon mischte sich ein. »Zeigt es ihr!«, kreischte sie aufgeregt.
Die Eingeweihten begannen nach mir zu treten, anfangs noch ungeschickt, aber dann sehr gezielt. Ich würde jede Menge Schürfwunden und blaue Flecken abbekommen.
»Bindet sie fest!« Ein letzter Stoß schleuderte mich nach vorn, und mein Gesicht knallte gegen den Baumstamm.
»Dreht sie um!« Sie wirbelten mich herum und drückten mir die Arme eng an den Körper. Rinde schürfte mir den Rücken auf. »Holt die Kunststoffplanen!«
Ein Knistern und Rascheln, und kühles Plastik legte sich um meinen Bauch. Sie umwickelten mich mit Saran-Folien. Adrenalin schoss durch meine Adern.
»Was zum Henker soll das denn werden?« Ich versuchte mich zu befreien, aber viele Hände hielten mich fest. »Glaubt ihr im Ernst, der Rektor lässt sich das bieten?«
Sie umhüllten mich Schicht um Schicht mit dem Verpackungsmaterial. Immer höher und enger wurde mein Gefängnis. Ein animalischer Instinkt erwachte in mir. Mein Herz begann laut zu hämmern. Kämpfe, flieh, kämpfe, flieh! Ich würde ersticken. Ich hatte mir vorgenommen, cool zu bleiben, doch nun begann ich zu zappeln und um mich zu schlagen. Und immer noch wanden sie die Folien um mich, enger und fester, höher bis zu den Schultern, tiefer bis zu den Knöcheln.
»Ich glaube, bis der Rektor dich findet, bist du Hackfleisch. Er wird so begeistert von dem Häppchen sein, das wir ihm servieren, dass er bestimmt keine Fragen stellt. Wickelt sie gut ein, Mädels, damit sie frisch bleibt!«
Das war keine Schikane. Das war Mord.
»Alcántara bereitet mich auf eine Mission vor«, platzte ich heraus, ohne zu wissen, ob ich damit Öl oder Wasser ins Feuer goss. »Der macht euch fertig!«
Der Kokon aus Plastik presste mich gegen den Baum. Mein Gesicht war frei, aber meine Haut konnte nicht mehr atmen. Die Kälte machte meine Füße taub, und mir lief die Nase, aber unter den Kunststoffbahnen sammelte sich Schweiß, zwischen den Brüsten, in den Achselhöhlen, entlang der Wirbelsäule. Ich triefte vor Nässe.
Heißer Atem streifte mein Ohr. »Wie eine Fliege gefangen, Acari, und lange wirst du das nicht überleben!«
Ich versuchte meine Schultern zu befreien, aber ich konnte mich nicht rühren. »Das lässt sich Alcántara nicht gefallen. Dafür werdet ihr büßen.« Panik trieb mich zu diesen Worten. Ich war nicht sicher, was ich damit meinte oder wie sie mir in den Sinn gekommen waren.
Mashas Stimme drang auf mich ein. »Du hältst dich also für Hugos Favoritin, ja?«
Hugo? War sie so vertraut mit Alcántara? Die Erkenntnis, dass sie ihn mit Vornamen ansprach, ließ mich verstummen.
»So ist es gut. Halt den Mund, wenn du nicht weißt, wovon du sprichst!« Sie fuhr mit den Fingern unter meine Augenbinde und riss sie mir vom Kopf, zusammen mit einem ganzen Büschel von Haaren.
Ich blinzelte und wartete, bis sich meine Augen der Umgebung angepasst hatten. Der Himmel war stahlgrau. Ich konnte unmöglich sagen, wie spät es war. Ein halbes Dutzend Eingeweihte umringten mich. Die meisten von ihnen
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