Vampire's Kiss
Achselzucken. »Wir haben Ähnlichkeit mit Pilzen – man lässt uns im Dunkeln und füttert uns mit Scheiße.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und fragte mich, wo sie den wohl aufgegabelt hatten. »Haha. Edler Spruch.«
Alcántara schien meine Ansicht zu teilen, denn er presste ärgerlich die Lippen zusammen. Aber Buddy war wohl so wertvoll für ihn, dass er einen Tadel unterdrückte. Ich brannte darauf, mehr über das Verhältnis der beiden zu erfahren.
Aber anstatt Fragen zu stellen, ging ich tiefer in die dunkle Höhle hinein, um das Arbeitsgewand überzustreifen. Alcántara schien mir ein Kavalier der alten Schule zu sein, aber immerhin waren sie zu zweit und ich allein, und ich fühlte mich ein wenig schutzlos. Ganz zu schweigen davon, dass der Wind, der vom Wasser her blies, eisig war und ich erbärmlich fror. Ich schlüpfte aus meinen Sachen und zog mich so rasch wie möglich um, aber meine Hände zitterten vor Kälte, und ich bewegte mich in meiner Hast mehr als ungeschickt.
Selbst im Dunkel konnte ich erkennen, dass die Dienstbotentracht mehr als schlicht war. Sie bestand aus einem Flanellkleid mit einem weiten, knöchellangen Rock und einem umso engeren Leibchen. Die Frau, der Buddy es entwendet hatte, musste winzig gewesen sein. Natürlich war es grau, und ich fragte mich, was Vampire eigentlich gegen Farben hatten. Eine kratzige dicke Unterhose und ein weißes Häubchen auf meinem straff nach hinten gezurrten Haarknoten ergänzten die Verkleidung. Ich kam mir vor wie eine Quäkerin.
Aber Buddy hatte wohl einen Hang zum Einfachen, denn als ich wieder auftauchte, bedachte er mich und mein enges Leibchen mit einem blöden Grinsen. Sein Tonfall war sarkastisch, sein Blick dagegen beifällig. »Rattenscharf.«
Ich wollte ihm schon an die Kehle springen, aber Alcántara war schneller. Bevor ich wusste, was geschah, stieß er sich von der Höhlenwand ab und verpasste Buddy eine Ohrfeige.
Als Alcántara sich abwandte, sah ich, dass der Vampir-Anwärter beide Hände auf die Wange presste. Blut tropfte ihm über das Kinn auf den Kragen und färbte das braune Material noch dunkler. »Hey, Alter!«, murmelte er.
Alcántara verschränkte die Hände hinter dem Rücken und sagte ruhig: » Cuidado , mein Junge. Ich verlange, dass du Acari Drew mit dem nötigen Respekt behandelst, sonst sind das nächste Mal deine Augen dran.«
Ich sah zu, wie sich Buddy das Blut aus dem Gesicht wischte – ich, das eben von einem Vampir verteidigte Mädchen.
Es war entnervend und beängstigend, aber irgendwie auch ein Hochgefühl, weil es mir den Eindruck vermittelte, dass Alcántara mich auf eine altmodische, ritterliche Art mit Respekt behandelte.
Ich straffte die Schultern und richtete mich auf. Ich war keine Halbwüchsige wie Buddy. Ich befand mich auf einer Mission.
Die Gedanken an meine bevorstehende Flucht verblassten, als ich meine alte Drew-Hülle abstreifte.
Ich konzentrierte mich auf die wollene Unterhose, redete mir ein, dass ich dieses Kratzen auf der Haut schon immer gekannt hatte. Das waren meine Kleidungsstücke. Ich war eine Magd. Ich war unsichtbar.
Als ich aufschaute, merkte ich, dass mich Alcántara mit den Augen verschlang. Es war einer seiner langen, verführerischen Blicke, die mir das Gefühl gaben, ich sei der strahlende Sonnenschein, den er seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt hatte.
Er verneigte sich leicht vor mir, eine Hand auf die Brust gelegt. »Du bist perfekt in deiner Rolle.«
»Schnell! Schnell!«, keifte mich eine Stimme im harten Befehlston an, und ich beschleunigte meine Schritte. Ich hatte mir Etikette und Tischkultur bis zum Gehtnichtmehr reingezogen, aber jetzt zeigte sich, dass es besser gewesen wäre, Fünfzigmetersprints mit Tellerstapeln in der einen und Gläsertabletts in der anderen Hand zu trainieren. Die Suche nach Carden McCloud konnte ich erst mal vergessen. Diese Typen sahen so finster aus, dass mich vermutlich schon eine zerbrochene Schüssel den Kopf kosten konnte.
Die Dunkelheit tat das ihre. Altmodisch wäre ja noch angegangen, aber mussten sie so verdammt stilecht sein? Das Kloster ähnelte einer alten Burg, aber mit einem Märchenschloss hatte es wenig zu tun. Es war modrig und kalt, aus dicken Steinquadern erbaut, und in so manchem Winkel quiekten Ratten. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, dass es hier Verliese gab – und hoffte nur, dass da unten nichts Schlimmeres lauerte als unser altehrwürdiger Vampir.
Da ich so tat, als verstünde ich kein Deutsch,
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