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Vampirgeflüster

Vampirgeflüster

Titel: Vampirgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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dass ich mich irrte, drängte sich mir mit bestürzender Gewissheit ins Bewusstsein. Ich war nicht dort, wo ich sein sollte, und ich sollte nicht sein, wo ich war. In diesem Moment erschienen mir diese beiden Gedanken wie zwei völlig voneinander getrennte und eigenständige Ideen.
    Irgendwer hatte mir einen Schlag auf den Kopf versetzt.
    Ich dachte darüber nach. Mein Kopf tat nicht weh, genau genommen: Ich fühlte mich eher benebelt, so als hätte ich eine schlimme Erkältung und irgendein starkes Grippemittel eingenommen. Und so folgerte ich (mit all dem Tempo, das eine Schildkröte aufbringen kann), dass ich eher durch einen Zauber als körperlich ausgeknockt worden war. Das Ergebnis war allerdings dasselbe. Ich fühlte mich miserabel und stand Todesängste aus. Dennoch wollte ich wissen, wer mit mir in diesem seltsamen Raum war. Ich nahm all meine Kraft zusammen, zwang mich die Augenlider zu heben, und sah flüchtig ein liebreizendes, aber gleichgültiges Gesicht. Dann fielen mir die Augenlider wieder zu. Sie schienen ein Eigenleben zu führen.
    »Sie erwacht«, sagte jemand.
    »Gut, dann geht der Spaß los«, erwiderte eine andere Stimme.
    Das klang nicht allzu vielversprechend. Der »Spaß« war vermutlich nichts, an dem auch ich meine Freude haben würde.
    Vermutlich würde ich sowieso jeden Augenblick gerettet werden, dachte ich, genau zum richtigen Zeitpunkt.
    Doch die Kavallerie ritt nicht heran. Ich seufzte und zwang mich noch mal, die Augen zu öffnen. Diesmal blieben die Augenlider oben, und im Schein einer Fackel - einer richtigen Holzfackel, aus der echte Flammen schlugen - musterte ich meine Kidnapper. Einer war ein Elf, der ganz genauso schön war wie Claudines Bruder Claude und ganz genauso charmant - nämlich gar nicht, um genau zu sein. Er hatte dunkles, welliges Haar wie Claude, noble Gesichtszüge wie Claude, einen durchtrainierten Körper wie Claude. Doch sein Gesicht konnte nicht einmal Interesse an mir heucheln. Claude war wenigstens in der Lage, so zu tun als ob, wenn's drauf ankam.
    Dann fiel mein Blick auf Kidnapper Zwei: eine Frau, die kein bisschen vertrauenerweckender wirkte. Weil auch sie eine Elfe war, sah sie ebenfalls wunderschön aus. Doch sie schien genauso wenig liebenswürdig oder vergnügt zu sein wie ihr Gefährte. Außerdem trug sie einen Catsuit, oder so was Ähnliches, und sah großartig darin aus - was an sich schon ausreichte, um sie zu hassen.
    »Es ist die richtige«, sagte Zwei. »Die Vampirschlampe. Ich fand die mit dem kurzen Haar ja etwas attraktiver.«
    »Als ob irgendein Mensch wirklich schön sein könnte«, erwiderte Eins.
    Aha, es reichte also nicht, dass ich gekidnappt war, ich musste mir auch noch Beschimpfungen anhören. Obwohl ihre Worte das Letzte auf der Welt waren, worüber ich mir Sorgen machen sollte, loderte Wut in mir auf. Mach nur weiter so, du Miststück, dachte ich. Warte nur, bis mein Urgroßvater dich erwischt.
    Hoffentlich hatten sie Amelia und Bubba nichts angetan.
    Hoffentlich ging es Bill gut.
    Hoffentlich hatte er sich an Eric und meinen Urgroßvater gewandt.
    Ziemlich viele Hoffnungen auf einmal. Und weil ich gerade meinen Wunschträumen nachhing, wünschte ich mir auch noch, dass Eric meine große Not und meine sehr reale Angst fühlen möge. Konnte er mich anhand meiner Gefühle aufspüren? Das wäre wunderbar, denn ich barst fast vor Gefühlen. Das hier war das Schlimmste, was mir je zugestoßen war. Als Bill und ich damals Blut getauscht hatten, sagte er mir, dass er nun fähig sei, mich überall zu finden. Hoffentlich hatte er die Wahrheit gesagt, und hoffentlich war diese Fähigkeit mit der Zeit nicht verblasst. Ich war bereit, mich von jedem retten zu lassen, wenn es nur bald geschah.
    Kidnapper Eins griff mir unter die Achseln und brachte mich in eine sitzende Position. Jetzt erst bemerkte ich, dass meine Hände taub waren. Ich saß an eine Wand gelehnt da und konnte erkennen, dass ich gar nicht in einer Höhle war. Wir waren in einem verlassenen Haus, einer echten Bruchbude. Im Dach war ein Loch, durch das ich die Sterne sehen konnte. Ein strenger Geruch von Schimmel lag in der Luft, der einem fast den Atem nahm, und darunter waberte noch ein Gestank von verrottendem Holz und Tapeten. Der Raum war völlig leer, bis auf meine Handtasche, die in einer Ecke gelandet war, und einem alten gerahmten Foto, das schief an der Wand hinter den beiden Elfen hing. Das Foto war draußen aufgenommen worden, vermutlich in den 1920er- oder

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