Vampirjagd: Roman (German Edition)
hob Stephanies Kopf und sah zu, wie Urban der Untoten vorsichtig Blut zwischen die Zahnreihen träufelte.
»Sie schluckt«, rief Cynthia halb erfreut und halb mit Grausen. Sie war neben Daniela die Jüngste im Club und kannte solche Dinge nur aus Erzählungen der älteren Mitglieder. Das meiste davon hatte sie jedoch für Vampirlatein gehalten.
Vanessa schwankte zwischen der aufkeimenden Hoffnung, Stephanie würde tatsächlich wieder zum Leben erwachen, und der fürchterlichen Angst vor dem, was aus ihrer Schwester werden würde. Immerhin sah Stephanie so übel aus, dass ein Zombie aus einem Horrorfilm vor Neid erblasst wäre. Sie wagte jedoch nicht, ihre Befürchtungen zu äußern, um Urban und Daniela nicht zu stören. Nach einer Weile konnte sie erkennen, dass der geschundene Körper ihrer Schwester sich auch äußerlich zu regenerieren begann. Stephanie schluckte das Blut immer gieriger und hob sogar den Armstumpf in Richtung der Alu-Flasche.
»Das glaube ich nicht«, stöhnte Cynthia, entschuldigte sich aber sofort bei Vanessa. »Es tut mir leid! Ich freue mich wirklich, dass deine Schwester noch lebt. Es ist nur so …«
»Unbegreiflich! Ich verstehe dich doch. Stephanie müsste tot sein – und ich auch! Viel besser als sie kann ich auch nicht ausgesehen haben, als ich aus der brennenden Hütte herausgekrochen bin!«
Vanessa hatte sichtlich Mühe, ihre Gefühle zu beherrschen. Das, was sie gerade erlebte, war zu unwirklich, um es mit dem Verstand zu erfassen. Ihre Schwester hatte ebenso wie sie einen Brand überlebt, der jeden anderen Menschen umgebracht hätte. Tränen schossen ihr in die Augen und fielen auf Stephanie.
Es war, als begreife das Mädchen, von wem die Tropfen stammten, denn sie drehte den Kopf und ihr Mund formte Laute, die wohl Worte sein sollten.
»Sing ein Wiegenlied«, forderte Daniela Vanessa auf.
Diese begriff zunächst nicht, was das für einen Zweck haben sollte, doch als Urban ihr leise ein Lied vorsang, stimmte sie darin ein und merkte rasch, dass ihre Schwester ruhiger wurde und zuletzt zu schlafen schien.
Während Urban die leere Flasche beiseitestellte, kamen Dilia und Martin herein. Die Vampirin blieb neben Stephanie stehen und musterte sie kurz. »Wie es aussieht, hat ihre Selbstheilung eingesetzt. Allerdings wird es noch ein paar Tage dauern, bis sie wieder wie ein Mensch aussieht. Wir sollten sie waschen und sie von Kopf bis Fuß mit einer milden Lotion einreiben.«
»Welche Seife sollen wir nehmen?«, fragte Daniela.
»Am besten reine Kernseife. Habt ihr so etwas hier oder müsst ihr sie besorgen? Sie darf noch nicht benutzt worden sein.«
Vor mehr als anderthalb Jahrhunderten hatte Dilia versucht, einen Verwandten zu retten, den sie ebenfalls aus der Erde ausgegraben hatte. Damals war es misslungen, da er zu lange in seinem Grab gelegen hatte. Hier aber fühlte sie, wie die Lebenskraft des jungen Mädchens zunahm, und sie wollte alles in ihrer Macht Stehende tun, um Stephanie wieder auf die Beine zu bringen.
Da Cynthia und Vanessa Dilia halfen, ließ Daniela die drei arbeiten und wandte sich Urban zu. »Es gibt Probleme!«, erklärte sie. »Wir werden auf infame Weise von Ferdinand Rubanter bekämpft. Er hat bereits die Hälfte unseres Vermögens auf ein Geheimkonto in die Karibik transferieren lassen.«
»Das ist unmöglich!«, rief Urban kopfschüttelnd. »Ich habe mit der Bank extra vereinbart, dass entweder du oder ich jede Buchung persönlich vornehmen müssen.«
»Trotzdem ist es geschehen! Martin hat es herausgefunden. Ich muss sagen, er ist ein wahres Computergenie.« In Danielas Stimme schwang mühsam unterdrückter Zorn. Sie hatte keine Ahnung, wie es Rubanter gelungen war, Zugriff auf ihr Depotkonto zu erhalten. Auf jeden Fall war dies eine offene Kriegserklärung, und um die aussprechen zu können, musste ihr Feind sich seiner Sache vollkommen sicher sein.
»Das stimmt. Ich konnte Rubanters Transaktionen nachspüren, bin aber nicht in der Lage, sie rückgängig zu machen«, erklärte Martin und rieb sich über das Gesicht. »Könnte mir vielleicht einer von euch erklären, was hier gespielt wird? Das Ganze ist für mich wie ein Spielfilm, aber ich bin mittendrin!«
»Das mache ich gerne, wenn ich Stephanie versorgt habe«, meldete sich da Dilia. »Bis dorthin setzen Sie sich und trinken Sie einen Tee oder einen Schnaps, wenn Sie was Stärkeres brauchen!«
5
Prallinger überlegte, ob er noch einmal ins Bezirkspolizeikommissariat zurückkehren
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