Vampirjagd: Roman (German Edition)
sollte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er schon vor drei Stunden hätte Feierabend machen können. Daher beschloss er, den Bericht über Erwin Brunners Tod erst am nächsten Tag zu schreiben. Dann würden auch schon Teilergebnisse der Spurensuche und der pathologischen Untersuchung vorliegen. Er überließ Wiedl den Dienstwagen und ging zur nächsten U-Bahn-Station. Dabei dachte er über seine nächsten Schritte nach. In seinen Augen war es klar, dass der Tote etwas mit den Banküberfällen zu tun haben musste. Mit einem Mal blieb er mitten auf dem Gehsteig stehen und wurde prompt angerempelt.
»Kannst du nicht aufpassen, du Trottel«, rief jemand wenig liebenswürdig.
Prallinger achtete nicht auf den Mann, sondern machte kehrt und rannte los, um seinen Assistenten noch zu erwischen. Er sah von Weitem, wie dieser in den Wagen stieg, und schaffte es im letzten Augenblick, in das Fahrzeug zu springen.
»Gibt es etwas so Wichtiges, Herr Bezirksinspektor?«, fragte der junge Beamte.
»Ich möchte mir das hier im Bezirkspolizeikommissariat genauer anschauen«, erklärte Prallinger und umklammerte die Latexmaske, die er in seine Jackentasche gesteckt hatte. Er sah Wiedl an, wie sehr diesen die Neugier plagte, gab aber nichts von seinem Wissen preis.
Am Deutschmeisterplatz stieg Prallinger vor dem Eingang des Kommissariats aus und überließ es seinem Assistenten, den Wagen wegzubringen. Innerlich zitternd vor Aufregung eilte er in sein Büro und schaltete den Computer an. Es dauerte eine Minute, bis das Gerät lief, und als Erstes las er, dass Cerny die Fahndung nach den Bankräubern ab dem nächsten Morgen an Hafner übertragen hatte.
Obwohl Prallinger dies erwartet hatte, fühlte er die Enttäuschung wie einen scharfen Stich in seiner Brust. Hatte er doch gerade einen Ariadnefaden in die Hand bekommen, mit dessen Hilfe er die Überfälle aufzuklären hoffte.
Zu seinem Glück hatte Hafner die Akte noch nicht aufgerufen oder zumindest nicht mit einem neuen Passwort gesichert. Prallinger konnte alle Daten aufrufen und kopierte diese sicherheitshalber auf einen USB-Stick. Auch las er noch einmal die meisten Aussagen durch und sah sich zuletzt die Aufnahmen, welche die Überwachungskamera beim letzten, tragisch verlaufenen Überfall gemacht hatte, genauer an. Der untersetzte Bankräuber, der die Kassiererin gezwungen hatte, ihm das Geld zu übergeben, musste Erwin Brunner gewesen sein. Die beiden anderen Banditen aber waren von normaler Größe, wirkten sportlich und bewegten sich wie junge Männer.
Bei den drei vorhergehenden Überfällen waren auch stets drei Männer in die Bankfilialen eingedrungen. Der Beschreibung nach waren Erwin Brunner und einer der schlanken Männer jedes Mal dabei gewesen, allerdings auch ein hochgewachsener, bulliger Kerl, der Prallingers Ansicht nach einer der Sametsammer-Zwillinge gewesen sein konnte. Weshalb hatte Brunner beim letzten Überfall statt einem seiner Knastkumpel einen anderen Mann mitgenommen? Hatte es Streit in der Bande gegeben?
Darüber hinaus fragte Prallinger sich, was er mit der Aussage anfangen sollte, die Urban Lassky als Mitglied der Bande bezeichnete. Bei den Personenbeschreibungen der Bankräuber war niemand genannt worden, der eine Ähnlichkeit mit Lassky aufwies. Damit hätte der Maler höchstens den Fluchtwagen fahren können. Dagegen stand jedoch, dass er keinen Führerschein besaß und auch noch nie ein Auto angemeldet hatte.
»Warum also gibt jemand an, Lassky gesehen zu haben?«, fragte Prallinger sich selbst und beschloss, den Zeugen persönlich zu befragen. Doch als er dessen Adresse und Telefonnummer aufrufen wollte, waren diese weder im Telefonbuch noch im Adressbuch von Wien zu finden. Daher griff er auf die Daten des Einwohnermeldeamts zurück und suchte die Personen mit dem entsprechenden Namen heraus. Doch als er diese nacheinander anrief, wollte keiner diese Aussage gemacht haben. Außerdem behaupteten alle, während des fraglichen Zeitraums nicht in Vösendorf und Umgebung gewesen zu sein.
Zuerst war Prallinger irritiert. Dann versuchte er herauszufinden, welcher seiner Kollegen diesen angeblichen Zeugen befragt hatte, und fand ebenfalls keinen Eintrag. Dies war nicht nur ungewöhnlich, sondern auch gegen alle Vorschriften. Allein das nährte seinen Verdacht, dass Urban Lassky denunziert worden war. Hatte Hafner die Hand im Spiel, um dem Maler eins auswischen zu können? Wenn dem so war und sein Kollege Lassky verhaften lassen wollte,
Weitere Kostenlose Bücher