Vampirmelodie
den oberen Stock, während Lorinda sich immer noch über Dianthas Outfit zu wundern schien.
»Ich bin so froh, dass Sie jemanden hier im Haus haben, während Sie sich von Ihrer Verletzung erholen«, sagte sie. Dann hielt sie inne, und ihre Stirn kräuselte sich. »Du meine Güte, was ist das für ein Lärm?«
Ein dumpfes, polterndes Geräusch drang aus dem Gästezimmer herüber. Verdammt. »Das ist wahrscheinlich … oje, ich glaub, sie haben ihren Hund in das Zimmer gesperrt!«, sagte ich und rief dann die Treppe hinauf: »Mr C.! Der Hund macht Theater! Könnten Sie dafür sorgen, dass Coco sich wieder beruhigt?«
»Oh, entschuldigen Sie vielmals«, sagte Mr Cataliades, der die Treppe heruntergeflitzt kam. »Ich werde das Tier sofort zur Ruhe bringen.«
»Danke«, erwiderte ich und versuchte zu übersehen,dass Lorinda leicht schockiert wirkte, als sie Mr Cataliades seinen Hund »das Tier« nennen hörte. Er ging die Diele entlang, und ich hörte die Tür des Gästezimmers auf und wieder zu gehen. Das dumpfe Poltern erstarb sofort.
Mr Cataliades erschien wieder und verbeugte sich auf seinem Weg zur Treppe vor Lorinda. »Einen schönen Tag noch, Mrs Prescott«, sagte er und verschwand in eins der Zimmer oben.
»Oje«, sagte Lorinda. »Der ist aber mächtig formal.«
»Er stammt aus einer alten New-Orleans-Familie«, erklärte ich. Ein paar Minuten später beschloss Lorinda, dass es an der Zeit sei, nach Hause zurückzukehren, um das Abendessen vorzubereiten, und unter vielerlei Nettigkeiten begleitete ich sie zur Haustür.
Als sie gegangen war, atmete ich erleichtert auf. Ich eilte zum Gästezimmer … und das Telefon klingelte. Es war Michele, die sich nach mir erkundigen wollte, was wirklich nett von ihr war, aber richtig schlechtes Timing.
»Hi, Michele!«, rief ich und versuchte, munter und gesund zu klingen.
»Hey, Fast-Schwägerin«, sagte sie. »Wie geht’s dir heute?«
»Schon viel besser«, erwiderte ich. Was nur halb gelogen war. Es ging mir besser.
»Kann ich vorbeikommen und deine Wäsche mitnehmen? Ich wasche heute Abend, damit Jason und ich morgen Abend zum Squaredance gehen können.«
»Oh, viel Spaß dabei!« Ich war schon seit Urzeiten nicht tanzen gegangen. »Ich bin mit meiner Wäsche auf dem Laufenden, vielen Dank.«
»Warum kommst du nicht mit ins Stompin’ Sally’s, wenn’s dir schon viel besser geht?«
»Wenn meine Schulter nicht allzu wehtut, komm ichgern mit«, sagte ich spontan. »Kann ich dir morgen Nachmittag noch mal Bescheid sagen?«
»Natürlich«, sagte sie. »Jederzeit vor acht, dann fahren wir los.«
Endlich schaffte ich es ins Gästezimmer. Carmichael war dort, bewusstlos, doch er atmete noch. Ich war nicht sicher, wie Mr Cataliades ihn ruhiggestellt hatte, aber wenigstens hatte er ihm nicht das Genick gebrochen. Und ich wusste immer noch nicht, was ich mit ihm anfangen sollte.
Ich rief die Treppe zu Mr C. und Diantha hinauf, dass das Abendessen fertig sei, und sie kamen blitzschnell herunter. Jeder von uns hatte einen vollgehäuften tiefen Teller mit Hackfleisch, Bohnen, Soße und gehackter Paprika vor sich, und ich verteilte noch die Tortilla-Chips, mit denen man das Gemisch löffeln sollte. Ich hatte sogar noch geraspelten Käse. Und Tara hatte einen Kuchen dagelassen, den Mrs du Rhone selbst gebacken hatte, sodass wir auch noch Dessert hatten. Einer stillschweigenden Übereinkunft folgend sprach keiner von uns Copley Carmichaels Zustand an, bis wir mit dem Essen fertig waren. Und als wir schließlich versuchten, zu einer Einigung zu kommen, sangen die Heuschrecken ihren Abendchoral.
Diantha meinte, dass wir ihn töten sollten.
Mr Cataliades wollte ihn durch höchst wirkungsvolle Magie beeinflussen und nach New Orleans zurückschicken, quasi als eine Art Auswechselspieler anstelle des echten Carmichael. Offenbar hatte er einen Plan, wofür er die neue Version von Amelias Vater einsetzen wollte.
Ich konnte mir nicht vorstellen, ihn wieder in die Welt zu entlassen, ein seelenloses, dem Teufel ausgeliefertes Geschöpf ohne den Drang nach Gutem. Doch ich wollteauch niemanden mehr umbringen. Während wir diskutierten und der lange Abend dunkel wurde, klopfte es erneut, diesmal an der Hintertür.
Ich konnte es nicht fassen, dass ich mich jemals nach Besuchern gesehnt hatte.
Diesmal war es eine Vampirin, und sie brachte nichts zu essen.
Pam glitt herein, Karin dicht auf den Fersen. Die beiden sahen aus wie bleiche Schwestern. Doch Pam wirkte irgendwie
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