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Vampirmelodie

Vampirmelodie

Titel: Vampirmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Erstaunliches oder Schreckliches »las«, hatte ich diesen Gesichtsausdruck nur noch selten zu sehen bekommen. Ich hatte vergessen, wie weh das tun konnte.
    »Sie haben Angst vor mir«, sprach ich das Offensichtliche aus, da ich einfach nicht wusste, was ich sonst tun sollte. »Aber Sie haben von mir nichts zu fürchten. Sie sind doch diejenige mit den Krallen und den Reißzähnen.«
    »Pst, sonst hört Allison Sie«, flüsterte Rosanne.
    »Sie haben sich noch nicht zu erkennen gegeben?«
    »Hier in der Arbeit nicht«, sagte sie mit tieferer und rauerer Stimme. Wenigstens wirkte sie nicht mehr ängstlich,was mein Ziel gewesen war. »Wissen Sie, wie hart es für ein zweigestaltiges Mädchen ist, wenn das mit der Verwandlung beginnt? Viel härter als für die Jungs. Eine von zwanzig endet als total psychopathisches Miststück. Aber wenn man die Teenagerjahre übersteht, kriegt man’s so langsam unter Kontrolle, und ich hab’s fast geschafft. Allison ist nett, und hier herrscht nicht allzu viel Stress. Ich habe jeden Sommer hier gejobbt und möchte den Job behalten.« Sie sah mich bittend an.
    »Dann ziehen Sie mir doch den Reißverschluss hoch, okay? Ich habe bestimmt nicht die Absicht, über Sie zu reden. Ich brauche bloß ein verdammtes Kleid«, sagte ich mittlerweile wirklich entnervt. Es war nicht so, dass ich kein Mitgefühl empfand, aber ich hatte zurzeit wahrlich schon genug eigene Probleme.
    Zögernd hob sie die linke Hand, um den Halsausschnitt des Kleides festzuhalten, griff dann mit der rechten nach dem Reißverschluss, und im nächsten Augenblick schon stand ich manierlich angezogen da. Die Schleife, die mit Haken und Ösen befestigt wurde, verdeckte den Reißverschluss. Da der Sommer die Zeit der Sonnenbräune ist, schimmerte meine Haut schön braun, und das intensive Gelb wirkte … einfach wundervoll. Das Kleid war nicht zu weit ausgeschnitten oben herum, und es hatte auch gerade die richtige Länge. Ein Anflug meiner vorherigen guten Laune kehrte zurück.
    Rosannes Unterstellung, ich könnte sie einfach bloß zu meinem eigenen Vergnügen »outen«, hatte mir zwar gar nicht gefallen, doch ich verstand ihre Befürchtungen. Irgendwie. Ich hatte zwei, drei Frauen kennengelernt, die ihre Supra-Teenagerzeit nicht mit intakter Persönlichkeit überstanden hatten; diese Wesensart barg wirklich Komponenten, die es zu fürchten galt. Ich bemühte mich, den ganzen Wortwechsel beiseitezuschieben. Als ich michwieder auf meine Anprobe konzentrieren konnte, empfand ich reinste Freude. »Wow, das ist ja vielleicht schön«, sagte ich und forderte Rosannes Spiegelbild mit einem Lächeln auf, sich mit mir aufzuheitern.
    Doch Rosanne schwieg, immer noch mit unglücklicher Miene. Sie schloss sich meinem »Wir sind alle glückliche Mädels«-Programm nicht an. »Sie haben das wirklich getan, oder?«, sagte sie. »Den Gestaltwandler von den Toten zurückgeholt.«
    Tja, da würde ich wohl nicht viel haben von meiner Freude über meinen Shopping-Erfolg. »Das war eine einmalige Sache«, erklärte ich, und mein Lächeln schwand. »Ich kann’s nicht noch mal tun. Und das will ich auch gar nicht.« In diesem Moment wurde mir klar, dass ich das Cluviel Dor vielleicht gar nicht benutzt hätte, wenn mir genug Zeit zum Nachdenken geblieben wäre. Ich hätte wahrscheinlich bezweifelt, dass es überhaupt funktioniert, und dieser Zweifel hätte meinen Willen geschwächt. Eine Freundin von mir, die Hexe Amelia, hatte mir mal erklärt, dass es bei der Magie ganz auf den Willen ankam.
    Ich hatte Unmengen an Willen gehabt, als ich spürte, wie Sams Herz zu schlagen aufhörte.
    »Geht’s Alcide gut?«, fragte ich in dem erneuten Bemühen, das Gesprächsthema zu wechseln.
    »Der Leitwolf ist wohlauf«, erwiderte Rosanne formell. Sie war zwar eine Werwölfin, doch ich konnte ihre Gedanken deutlich genug lesen, um zu wissen, dass sie mir gegenüber noch starke Vorbehalte hatte, auch wenn sie die anfängliche Angst abgelegt hatte. Ob jetzt etwa das ganze Rudel dieses Misstrauen hegte, fragte ich mich. Glaubte auch Alcide, dass ich irgend so eine Superhexe war?
    Nichts konnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ich war nie Super-Irgendwas gewesen.
    »Schön zu hören, dass er okay ist. Ich werde das Kleidnehmen.« Zumindest, dachte ich, kann ich dieser Begegnung etwas Positives abgewinnen. Als ich zur Kasse ging, sah ich, dass Tara während meiner unbehaglichen Vier-Augen-Begegnung mit Rosanne zwei Paar Shorts und eine Jeans gefunden

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