Vampirmelodie
gewesen wäre, denn von allem, was sie gern tat (und inzwischen waren wir über das meiste informiert), war reden ihr am allerliebsten.
In dem Moment schon, in dem An zur Hintertür hereinkam, konnte ich sie hören, und ich musste unwillkürlich lächeln. Ich kannte die Neue kaum, aber sie war wirklich eine Marke für sich.
»Sookie, ich hab dein Auto draußen gesehen, weiß also schon, dass du wieder arbeitest. Wie schön, dass du zurück bist«, rief sie von hinten irgendwo bei den Spinden. »Ich weiß ja nicht, welches Virus du hattest, aber den hast du hoffentlich überstanden, denn krank will ich bestimmt nicht werden. Wenn ich nicht arbeiten kann, verdiene ich kein Geld.« Ihre Stimme kam langsam näher, und dann stand sie direkt vor mir, die Schürze umgebunden und wie frisch aus dem Ei gepellt in ihrem T-Shirt mit dem Merlotte’s-Logo und ihren wadenlangen Yogahosen. Bei ihrem Vorstellungsgespräch hatte An mir erzählt, dass sie außerhalb des Hauses niemals Shorts trug, weil ihr Vater Prediger war, dass ihre Mutter die beste Köchin in ihrer Heimatstadt war und dass es ihr nicht erlaubt gewesen war, ihr Haar abschneiden zu lassen, bis sie mit achtzehn ihr Zuhause verließ.
»Hi, An«, sagte ich. »Wie läuft’s denn so?«
»Es läuft prima, obwohl ich’s schade fand, dich gar nicht zu sehen. Ich hoffe, es geht dir besser.«
»Schon viel besser. Ich muss mal eben rübergehen und kurz mit Sam reden. Mir ist übrigens aufgefallen, dass die Pfeffer- und Salzstreuer mal aufgefüllt werden müssten. Würd’s dir was ausmachen?«
»Darum kümmere ich mich sofort! Zeig mir nur, woPfeffer und Salz aufbewahrt werden. Die sind im Nu alle wieder voll.« Eins sprach wirklich für An: Sie arbeitete hart.
Alle taten, was sie tun sollten. Und ich musste es auch tun. Ich holte einmal tief Luft. Ehe ich mich doch noch drückte, marschierte ich zur Hintertür hinaus und zu Sams Wohnwagen hinüber, immer dem Weg der Trittsteine nach. Erst jetzt fiel mir auf, dass neben Sams Pick-up ein fremdes Auto parkte, ein kleines Auto mit geringem Spritverbrauch, voll Dellen und Staub und mit Nummernschild aus Texas.
Es überraschte mich nicht allzu sehr, auf der Fußmatte der kleinen Veranda, die Sam vor dem Eingangsbereich seines Wohnwagens angebaut hatte, einen Hund liegen zu sehen. Und auch der Hund wirkte nicht überrascht, dass ich kam. Beim ersten Geräusch meiner Schritte war er auf den Beinen und beobachtete aufmerksam, wie ich durch die Pforte und auf den sauberen Trittsteinen über den grünen Rasen hinweg auf die Tür zuging.
In respektvollem Abstand zu den Stufen blieb ich stehen und musterte den Hund. Sam konnte sich in beinahe jeden Warmblüter verwandeln, es war also möglich, dass dieser Hund Sam war … aber das glaubte ich nicht. Er entschied sich meistens für eine Colliegestalt. Dieser geschmeidige Labrador hatte einfach nicht die richtige Ausstrahlung.
»Bernie?«, fragte ich.
Der Labrador stieß ein neutrales Bellen aus und begann mit dem Schwanz zu wedeln.
»Lässt du mich an die Tür klopfen?«, fragte ich.
Sie schien einen Augenblick darüber nachzudenken. Dann trottete sie die Stufen hinunter auf den Rasen und sah mir nach, als ich zur Tür hinaufging.
Ich wandte mich von ihr ab (mit einem irgendwie ungutenGefühl) und klopfte. Nach einer langen, langen Minute öffnete Sam.
Er wirkte abgehärmt.
»Alles okay mit dir?«, stieß ich hervor. Offensichtlich nicht, denn das war nicht zu übersehen.
Wortlos trat Sam einen Schritt zurück und ließ mich ein. Er trug ein kurzärmeliges Sommerhemd und seine älteste Jeans, die stellenweise schon so abgewetzt war, dass der Stoff leichte Risse hatte. Das Innere des Wohnwagens war erstaunlich düster. Sam hatte sich bemüht, doch ganz hatte er ihn nicht abdunkeln können – nicht an einem so sonnig heißen Tag wie heute. Durch die zugezogenen Vorhänge fielen dünne Strahlen Lichts, glitzernd wie Glasscherben.
»Sookie«, sagte Sam wie von ganz weit her. Das ängstigte mich mehr als alles andere. Ich musterte ihn. Auch wenn die Details schlecht zu erkennen waren, sah ich doch, dass Sam nicht rasiert war. Und obwohl er vom Typ her immer drahtig gewesen war, wirkte es, als hätte er zehn Pfund abgenommen. Geduscht hatte er zumindest; vielleicht hatte Bernie darauf bestanden. Als ich mir von Sam einen Eindruck verschafft hatte, sah ich mich, so weit möglich, im Wohnzimmer um. Die grellen Lichtstrahlen taten mir in den Augen weh.
»Darf ich die
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