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Vampirmelodie

Vampirmelodie

Titel: Vampirmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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überstehen wird, aber die Aussicht darauf macht einen einfach krank. Eine halbe Stunde lang grübelte ich besorgt vor mich hin, und obwohl ich wusste, dass das überhaupt nichts brachte, spürte ich, wie sich Beklemmung in mir breitmachte.
    »Schwachsinn«, sagte ich beherzt zu mir selbst. »Das ist doch totaler Schwachsinn.« Und weil ich müde war und weil ich sowieso nichts tun konnte, um den morgigen Tag besser zu machen, und weil ich ihn irgendwie überstehen musste, schlief ich schließlich wieder ein.
    Ich hatte am Tag zuvor den Wetterbericht nicht gehört und freute mich, mit dem Rauschen eines starken Regens im Ohr aufzuwachen. Die Temperatur würde etwas fallen, und die Büsche und der Rasen würden von der leichten Staubschicht befreit werden. Ich seufzte. Alles in meinem Garten würde noch schneller wachsen.
    Als ich meine morgendliche Routine beendet hatte, war der strömende Regen in ein sanftes Nieseln übergegangen, doch auf dem TV-Wetterkanal hörte ich, dass am Spätnachmittag erneut schwerer Regen einsetzen würdeund sich mit Unterbrechungen über die nächsten paar Tage hinziehen könnte. Das waren gute Neuigkeiten für alle Farmer und deshalb für Bon Temps. Also übte ich vor dem Spiegel ein glückliches Lächeln, aber es passte irgendwie nicht in mein Gesicht.
    Ich flitzte im Nieselregen hinaus zu meinem Auto, ohne meinen Regenschirm zu öffnen. Vielleicht würde so ein kleiner Adrenalinstoß mich ja antreiben. Ich konnte nur sehr wenig Begeisterung für das aufbringen, was dieser Tag bereithielt. Und weil ich nicht wusste, ob Sam fähig oder willens sein würde, den Gang über den Parkplatz zur Arbeit zu unternehmen, konnte es sogar sein, dass ich bis zum Schließen des Merlotte’s bleiben musste. Ich konnte nicht länger so viel Verantwortung auf die Angestellten abwälzen, wenn ich nicht ihren Lohn erhöhte, und das konnten wir uns im Moment einfach nicht leisten.
    Als ich hinterm Merlotte’s parkte, sah ich, dass Bernies Auto weg war. Sie hatte es ernst gemeint, als sie sagte, dass sie abfährt. Sollte ich gleich in die Bar gehen oder zuerst zu Sams Wohnwagen hinüber?
    Während ich das noch debattierte, sah ich plötzlich etwas Gelbes durch den Regen auf meiner Windschutzscheibe. Sam stand beim Müllcontainer, der zweckmäßig zwischen Küchentür und Angestellteneingang platziert war. Er trug den gelben Regenponcho aus Plastik, der für solche Gelegenheiten in seinem Büro hing. Zuerst war ich so erleichtert, ihn zu sehen, dass ich seine Körpersprache gar nicht bemerkte. Steif und erstarrt stand er da, einen Müllbeutel in der linken Hand. Mit der rechten hatte er den Schiebedeckel des Müllcontainers geöffnet. Er sah in den Container hinein und hatte seine ganze Aufmerksamkeit auf etwas darin gerichtet.
    Mir schwante nichts Gutes. Mich beschlich das flaue Gefühl, dass es mit dem Tag schon jetzt abwärts ging.»Sam?« Ich spannte meinen Regenschirm auf und rannte zu ihm. »Was ist los?«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er rührte sich nicht; es ist schwer, einen Gestaltwandler zu überraschen. Und er sagte kein Wort.
    Ich schluckte, zwang mich aber, einen Blick in den Metallbehälter zu werfen, der zur Hälfte mit Müllbeuteln gefüllt war.
    Arlene steckte nicht in einem Beutel. Sie lag obenauf. Die Maden und die Hitze hatten ihre Arbeit schon begonnen, und nun fiel der Regen in ihr aufgedunsenes, bleiches Gesicht.
    Sam ließ den Müllbeutel zu Boden fallen. Mit deutlichem Widerwillen beugte er sich vor und legte einen Finger an Arlenes Hals. Er wusste so gut wie ich, dass sie tot war. In ihrem Hirn war nichts mehr, das ich wahrnehmen konnte, und jeder Gestaltwandler konnte den Tod riechen.
    Ich stieß ein sehr schlimmes Wort aus. Und wiederholte es noch ein paar Mal.
    Nach einem Augenblick sagte Sam: »Das habe ich dich noch nie laut sagen hören.«
    »Ich denk’s nicht mal allzu oft.« Ich hasste es, auf das schlimme Ereignis näher einzugehen, aber ich musste es tun. »Sie war erst gestern hier, Sam. In deinem Büro. Und hat mit mir geredet.«
    In gegenseitigem schweigendem Einvernehmen gingen wir hinüber in den Schutz der Eiche in Sams Garten. Er hatte den Müllcontainer offen gelassen, doch der Regen würde Arlene nichts mehr ausmachen. Sam sagte eine Weile lang nichts. »Sie wurde bestimmt von jeder Menge Leute gesehen, oder?«, fragte er dann.
    »Ich würde nicht sagen jede Menge . So viele Gäste hatten wir nicht. Aber wer in der Bar war, muss sie gesehen

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