Vampirmelodie
Stunden werden würden.
Sowohl Andy Bellefleur als auch Alcee Beck kamen, und ich versuchte, ein Stöhnen zu unterdrücken. Ich war mit Andys Ehefrau Halleigh befreundet, was diese Situation doppelt unangenehm machte … auch wenn gesellschaftliche Unannehmlichkeiten im Moment nicht ganz oben auf der Liste meiner Sorgen standen. Und es war immer noch besser, als mit Alcee Beck allein zu tun haben, der mich einfach nicht mochte. Wenigstens waren die beiden Streifenpolizisten, die die eigentliche Beweisaufnahme machten, uns bekannt: Kevin und Kenya hatten den Weiterbildungskurs zur Aufnahme und Bewertung von Beweisen beide erfolgreich abgeschlossen.
Das musste ein guter Kurs gewesen sein, denn die beidenKs schienen ganz genau zu wissen, was sie taten. Trotz der drückenden Hitze (der Regen schien der Temperatur keinen Abbruch getan zu haben) erledigten die beiden ihren Job sorgfältig und effizient. Andy und Alcee halfen ihnen abwechselnd und stellten uns Fragen, die wir größtenteils nicht beantworten konnten.
Als der Leichenbeschauer kam, um Arlene abzuholen, hörte ich, wie er zu Kenya sagte, dass sie vermutlich erwürgt worden war. Ich fragte mich, ob der Pathologe, der die Autopsie machte, wohl zu demselben Ergebnis kommen würde.
Wir hätten in Sams Wohnwagen hineingehen sollen, wo es kühler war, doch als ich das vorschlug, sagte Sam, dass er ein Auge auf das haben wollte, was die Polizei tat. Mit einem langen Seufzer zog ich die Knie ans Kinn, um meine Beine in den Schatten zu kriegen. Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Tür des Wohnwagens, und einen Augenblick später lehnte Sam sich an das Geländer der kleinen Veranda. Den Regenponcho hatte er schon längst ausgezogen, und ich hatte mein Haar hochgebunden. Sam holte zwei Gläser Eistee aus dem Wohnwagen, und ich trank meinen in drei großen Schlucken und hielt mir das kühle Glas an die Stirn.
Ich war verschwitzt, bedrückt und verschreckt, aber wenigstens war ich nicht allein.
Während Arlenes Leiche geborgen und im Leichensack verstaut auf der armseligen Fahrt zum staatlichen Gerichtsmediziner war, kam Andy zu uns, um mit uns zu reden. Kenya und Kevin durchsuchten inzwischen den Müllcontainer, was eine der schlimmsten Aufgaben auf der Welt sein musste – eindeutig ein Kandidat für die TV-Show ›Schmutzige Jobs‹. Die beiden schwitzten wie die Schweine, und von Zeit zu Zeit ließen sie ihren Gefühlen verbal freien Lauf. Andy bewegte sich langsam und lustlos,man sah ihm deutlich an, wie sehr die Hitze ihm zu schaffen machte.
»Arlene ist erst vor knapp einer Woche rausgekommen, und jetzt ist sie tot«, sagte Andy angestrengt. »Halleigh fühlt sich nicht gut, und ich wäre lieber zu Hause bei ihr als hier draußen, Herrgott noch mal.« Er sah uns finster an, so als hätten wir diese Begegnung geplant. »Verdammt, was hatte sie hier zu suchen? Habt ihr sie getroffen?«
»Ja, ich. Sie kam, um nach einem Job zu fragen«, erzählte ich. »Gestern Nachmittag. Ich habe natürlich Nein gesagt. Dann ist sie gegangen. Danach habe ich sie nicht wieder gesehen, und ich bin ungefähr um … sieben, oder etwas später, nach Hause gefahren, glaube ich.«
»Hat sie gesagt, wo sie wohnt?«
»Nein. Vielleicht in ihrem Wohnwagen?« Arlenes Wohnwagen stand immer noch auf der kleinen Lichtung, wo sie (a) angeschossen und (b) verhaftet worden war.
Andy blickte skeptisch drein. »Ist der denn überhaupt noch an den Strom angeschlossen? Und das Ding muss zwanzig Einschusslöcher haben.«
»Wenn man einen Ort hat, an den man gehen kann, geht man dorthin«, sagte ich. »Die meisten Leute müssen das tun, Andy. Sie haben gar keine andere Wahl.«
Andy war überzeugt, dass ich ihm eine elitäre Haltung unterstellte, da er ein Bellefleur war, aber das tat ich nicht. Ich stellte nur eine Tatsache fest.
Er musterte mich grollend. »Vielleicht hat sie bei Freunden gewohnt«, warf er ein.
»Ich weiß es einfach nicht.« Ich persönlich bezweifelte, dass Arlene noch allzu viele Freunde hatte, vor allem solche, die sie aufgenommen hätten. Selbst Leute, die Vampire nicht mochten und nicht viel von Frauen hielten, die mit ihnen zusammen waren, dachten vielleicht zweimal nach, ehe sie einer Frau halfen, die bereit gewesen war,ihre beste Freundin in eine Falle zu locken und kreuzigen zu lassen. »Als sie das Merlotte’s verließ, sagte sie, dass sie mit ihren beiden neuen Freunden reden würde«, fügte ich hilfsbereit hinzu. Das hatte ich zwar nur in ihren Gedanken
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