Vampirnacht
alles noch einmal durchzugehen. »Schlaf, mein Liebling. Frag die anderen beim Frühstück. Oder lass es dir von Chase erzählen. Er war mit uns unterwegs. Ich will mich noch ein bisschen entspannen und meditieren, ehe die Sonne mich schlafen schickt. Wärst du böse, wenn ich dich allein schlafen lasse?«
Sie zog sich die Decke bis unters Kinn und legte den Kopf wieder aufs Kissen. »Kein Problem, Liebste. Und, gefallen dir unsere Hochzeitskleider?« Wieder gähnte sie, und es klang ganz so, als sei sie schon halb eingeschlafen.
Ich küsste sie auf die Stirn und vergewisserte mich, dass sie gut zugedeckt war. »Sie sind wunderschön. Und ich verspreche dir, dass ich einen tollen Ort für unsere Hochzeit finden werde. Schlaf gut … und träum was Schönes.«
Ich blies die Kerzen aus. Als ich den Salon verließ, schnarchte Nerissa schon leise.
Unten in meinem Keller kümmerte ich mich noch um den letzten Anruf dieser Nacht – Roman.
Er nahm sofort ab. »Geht es dir gut? War es euer Freund Andrees?«
»Ja, leider.« Es war so hektisch gewesen, dass ich ihn schon beinahe vergessen hatte. Doch jetzt brach diese traurige Realität wieder über mich herein, und ich fragte mich, wie wir herausfinden sollten, wer unseren Kollegen ermordet hatte. »Chase meinte, er sei regelrecht hingerichtet worden. Aber sein Leichnam wurde obendrein verstümmelt, und Mallen glaubt nicht, dass das derselbe Täter war.«
Ich hielt inne und starrte das gerahmte Bild an meiner Wand an, einen Druck von Monets
Seerosen.
Ich liebte dieses Gemälde. Es machte mich fröhlich und half mir, mich bei der Meditation zu konzentrieren.
»Roman, ich möchte dich etwas fragen. Ich muss ein Blutband auflösen, und ich dachte, du könntest mir vielleicht dabei helfen.« Ich erzählte ihm von Morio und der Bluttransfusion, die ihm das Leben gerettet hatte. »Ich mag Morio sehr, aber wie einen Bruder. Es gefällt mir nicht, mich so zu ihm hingezogen zu fühlen. Und Camille würde es zwar verstehen, wenn etwas passieren würde, aber das würde ihre Beziehung trotzdem sehr belasten. Außerdem bin ich im Moment mit einer Verlobten und einem Liebhaber mehr als bedient.«
Er lachte. »Ja, das verstehe ich. Ein Blutband auflösen, das nicht durch eine Erweckung zustande gekommen ist – dafür gibt es tatsächlich ein Ritual.«
»Müssen beide Seiten dabei anwesend sein?« Ich hoffte nicht. Wenn ich das allein mit so wenig Aufhebens wie möglich durchziehen konnte, umso besser.
»Nein, das ist nicht nötig. Aber du wirst zu mir kommen müssen. Es gilt einige … komplizierte Berechnungen anzustellen. Ich muss erst jemanden anrufen. Kannst du gegen halb sieben hier sein? Kurz nach Sonnenuntergang?«
»Wenn wir nicht … na ja, wenn die anderen morgen nicht finden, was wir gerade suchen. Ich muss morgen Abend erst mit meinen Schwestern besprechen, was sie den Tag über herausgefunden haben, ehe ich vorbeikomme. Sagen wir gegen halb acht?« Wir tauschten noch ein paar leise, zärtliche Worte aus, dann legte ich auf. Die Nacht war sehr lang gewesen, und ich konnte nur hoffen, dass ich im Schlaf Ruhe vor Dämonen, Geistern und Erinnerungen haben würde. Ich holte meine Yogamatte hervor und praktizierte ein paar der Asanas, die mich am besten entspannten. Mein Körper brauchte kein Fitness-Training, aber die vertrauten Abläufe beruhigten mich.
Schließlich stimmte die Sonne ihren Sirenengesang an, und ich schlüpfte unter die Bettdecke. In Gedanken an Nerissa und wie sehr ich sie liebte, glitt ich in traumlosen Schlaf.
Als ich die Küche betrat, bot sich mir ein Schauspiel. Ein Fuchs jagte zwei Katzen – eine Geisterkatze, und die andere war natürlich Delilah. Snickers hatte sich auf dem Fensterbrett zusammengerollt und schlief.
Maggie klatschte und kreischte in ihrem Laufstall. Iris stand auf einem Stuhl, und zu ihren Füßen lag eine umgekippte Backform samt Kuchen. Camille verfolgte mit einer Bratpfanne etwas, das wie eine Riesenratte aussah, und ein Brandfleck an der Wand sagte mir, dass sie es mit Magie bereits versucht hatte. Jetzt wurde mir klar, dass auch die beiden Katzen und der Fuchs nicht fangen spielten, sondern auf Rattenjagd waren.
»Stehen bleiben!«, befahl ich Camille, sprang über den zermatschten Kuchen hinweg, packte blitzschnell zu und schnappte mir die Ratte. Die biss um sich und erwischte mich dreimal, ehe sie mich entsetzt anstarrte. Sie war eigentlich sogar ganz niedlich, und sie sah nicht so aus, als hätte sie
Weitere Kostenlose Bücher