Vampirnacht
die Tollwut. Ich streichelte ihr den Kopf, und sie beruhigte sich allmählich und blieb ruhig auf meinem Arm liegen.
Camille pfiff Misty zu sich, die auf den Tisch sprang und mit ihrem üppigen geisterhaften Schwanz zuckte. Delilah sprang ebenfalls hoch, sah mich enttäuscht an und begann kläglich zu miauen. Iris seufzte tief, hielt sich an der Stuhllehne fest und stieg herunter. Morio – in seiner Fuchsgestalt – winselte an der Tür, und Camille öffnete sie. Er sprang hinaus und rannte im Garten herum. In diesem Moment kam Hanna mit einem großen Wäschekorb in den Händen aus der Waschküche herein.
»Mein Kuchen …« Iris kniete sich neben die heruntergefallene Backform und schaufelte die gröbsten Haufen vom Boden hinein. »Tja, dann müssen eben drei Kuchen reichen. Das heißt, es bekommt jeder nur einmal Nachschlag.« Sie ließ die Backform auf die Küchentheke fallen, und Camille eilte mit Schwamm und Küchenpapier herbei.
Hanna starrte die Ratte auf meinem Arm an. »Was hast du mit diesem Vieh vor? Ich dulde keine Ratten in meiner Küche.«
Iris räusperte sich. »
Meine Küche,
wenn ich bitten darf. Zumindest so lange, bis mein Haus fertig ist. Aber ich gebe dir völlig recht. Menolly, du kannst das Tier nicht im Haus behalten, und wenn du es in den Garten bringst, kommt es demnächst mit seiner ganzen Familie wieder.«
Delilah hatte mit großen Kulleraugen zu mir hochgestarrt. Jetzt stieß sie ein weiteres lautes »Miau« aus und gab dann ein seltsames Schnattern und Keckern von sich. Die Ratte schnatterte zurück. Während wir die beiden noch erstaunt anstarrten, nahm Delilah wieder ihre menschliche Gestalt an.
»Setz ihn raus. Er wird nicht zurückkommen, das hat er mir versprochen. Sonst werde ich ihn jagen und fressen. Aber er möchte am Waldrand abgesetzt werden. Er traut mir nicht und glaubt, ich könnte ihn doch noch packen wollen.« Sie schüttelte den Kopf und beobachtete neugierig die Ratte.
»Schön, ich bringe die Ratte nach draußen. Kätzchen, du bleibst hier.« Ich ging zur Tür.
»Sieh mal nach Morio. Er war in Spiellaune, und ich schätze, die Ratte hat seinen Jagdinstinkt ausgelöst.« Camille, die den Boden wischte, blickte über die Schulter zu mir hoch.
Kurz vor der Tür wurde ich wieder aufgehalten. Delilah rief: »Ach, übrigens, die Ratte heißt … na ja, in unserer Sprache würde man es wohl
Chaka
aussprechen.«
»Chaka … Okay, Chaka, wir geben dir noch eine Chance.« Ich öffnete die Tür, hielt die Ratte gut fest und trat durch die Fliegengittertür der Veranda hinaus in den Garten. Chaka fest an meine Brust gedrückt, lief ich hinüber zum Rand des Wäldchens, in dem der Birkensee lag. Als ich mich hinkniete, blickte Chaka mit seinen kleinen Knopfaugen zu mir auf. Seine Nase zuckte.
»Also, dann geh. Geh und komm nie wieder ins Haus. Für Iris’ und Delilahs Selbstbeherrschung kann ich nicht garantieren. Verstanden?« Ich wartete, doch die Ratte zuckte nur mit den Ohren. »Du verstehst kein Wort von dem, was ich sage, oder? Aber vielleicht hast du ja Delilah verstanden. Also, ab mit dir. Ich wünsche dir ein schönes Leben und immer volle Mülltonnen.« Ich setzte ihn auf den Boden. Er zögerte, schaute zu mir zurück und flitzte dann davon ins Unterholz. Aus irgendeinem Grund machte es mich ein bisschen traurig, ihn verschwinden zu sehen.
Ich richtete mich auf, wischte mir die Hände an der Jeans ab und blickte mich um. Ich sollte ja noch Morio finden. Wohin würde ein Fuchs gehen? Ein dämonischer Fuchs mit menschlichem Bewusstsein?
In einer guten Stunde sollte ich bei Roman sein, und ich musste vorher erfahren, was die anderen den Tag über herausgefunden hatten. Und das Letzte, was ich wollte, war mit Morio allein hier draußen im Dunkeln sein. Er würde sicher damit einverstanden sein, dass ich das Band zwischen uns auflöste, und ich wollte nicht riskieren, dass vorher noch etwas schiefging.
Also beschloss ich nach ein paar Minuten, ihn laufen zu lassen, und ging wieder hinein. In der Küche sah es wieder aus wie immer, und Iris suchte ihre Keksvorräte zusammen, um den Nachtisch zu ergänzen. Die Jungs aßen wie die Scheunendrescher, und meine Schwestern hielten sich beim Essen auch nicht gerade zurück. Feen brauchten einfach mehr davon – wir alle hatten einen schnelleren Stoffwechsel, auch als halbblütige Feen. Ich brauchte zwar keine herzhaften Mahlzeiten mehr, aber das Lebensmittelbudget des Haushalts war gewaltig.
»Ich weiß nicht,
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