Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampirnacht

Vampirnacht

Titel: Vampirnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
Vom Netzwerk:
loyal bist – nur gegenüber wem? An wen betrachtest du dich gebunden, Menolly?«
    Ich schluckte, denn ich wollte ihr möglichst nichts von meiner Familie erzählen. Vampire waren furchtbar geschickt darin, Gefühle und Bindungen zu benutzen, um andere zu beherrschen. Doch ein Blick auf Roman sagte mir, dass sie die Antworten schon kannte. Er war ihr Sohn. Er war ihr zu Loyalität verpflichtet und erzählte ihr wahrscheinlich sowieso alles.
    »Meine erste Treuepflicht gilt meinen Schwestern. Meiner Familie, meinen Freunden. Meinem Eid gegenüber der Elfenkönigin und meiner Heimatstadt, in deren Diensten ich stehe. Meiner Verlobten. Sie alle werde ich niemals verraten. Und … ich bin auch loyal Eurem Sohn gegenüber, ja. Solange ich dadurch nicht in Konflikt mit meinen anderen Verpflichtungen komme.« Manchmal war es besser, die Karten offen auf den Tisch zu legen.
    Blodweyn nickte mit finsterer Miene. »Ich nehme Eide sehr ernst, meine junge Vampirin. Du offensichtlich auch. Das bewundere ich. Selbstverständlich wäre es mir lieber, wenn du meinen Sohn an die erste Stelle setzen würdest. Aber einen Eid zu brechen, um einen neuen einzugehen, ist ein abscheulicher Verrat, und Eidbruch dulde ich im Purpurnen Schleier nicht. Es ist besser, wenn dir das von Anfang an klar ist.«
    »Ja, und ich stimme Euch zu.« Ich war erleichtert, dass sie offenbar nicht versuchen würde, mich auf Kosten meiner eigenen Verpflichtungen zu einem Treueeid zu zwingen. Ich entspannte mich ein klein wenig.
    »Mein Sohn hat mir gesagt, dass er das Ritual der neuen Blutlinie mit dir vollzogen hat, und warum. Hat er dir auch gesagt, dass ich dich nun in unserer Linie willkommen heißen muss, um das Ritual zu vollenden? Und dass du getötet wirst, falls ich das nicht tue?«
    Ich riss den Mund auf und starrte Roman an. »Du hast mich …«
    Sein Gesicht war eine undurchdringliche Maske, und er sah mich ernst an. »Ich wusste nichts davon.«
    Ich hätte ihn anbrüllen und die Treppe hinunterschmeißen können, aber das war wohl kaum der passende Ort für einen Wutanfall. Seine Mutter konnte mich zerquetschen wie ein lästiges Insekt. Ich funkelte ihn böse an und wandte mich wieder Blodweyn zu.
    »Von diesem letzten Teil hat er mir nichts gesagt. Er hat mir nur versprochen, dass es kaum wehtun würde.«
    »Dass etwas kaum wehtut, bedeutet nicht, dass es dich nicht schwer verletzen könnte. Aber mach dich nicht verrückt. Er wusste es tatsächlich nicht, weil ich es vorgezogen habe, ihm nichts davon zu sagen.«
    Als sie wieder aufstand, wirkte sie irgendwie noch größer, so direkt vor mir. Zum ersten Mal hatte ich wirklich Angst vor ihr. Ich fiel auf die Knie, und Roman ebenfalls. »Du hast keine Ahnung, was es bedeutet, dem Purpurnen Schleier nahe zu sein.«
    Ihre Stimme hallte durch den Raum und echote von den Wänden wider. Als ich vorsichtig zu ihr hochspähte, wurde sie auf einmal älter, nicht äußerlich, sondern geistig, und ich spürte ihre Macht als körperliche Vibration. Sie war keine bloße Galionsfigur, sondern eine wahre Herrscherin.
    »Weißt du überhaupt, was der Purpurne Schleier ist, mein Mädchen?« Sie beugte sich vor und griff nach meiner Hand. Ich konnte mich ihr nicht verweigern und reichte sie ihr. Sie zog mich auf die Füße. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und konnte nur stumm den Kopf schütteln.
    »Dann komm mit mir und lerne.«
    Der Thronsaal verschwand, und ich stand neben Blodweyn in einem purpurroten Nebel wie aus dichten Rauch- und Dunstfetzen, die schimmerten und leuchteten wie blutiges Nordlicht. Die Blutlust tobte in meinem Körper. Ich stöhnte und versuchte, den Instinkt zu unterdrücken, das Raubtier in mir wieder in seinen Käfig zu schließen.
    »Willkommen im Purpurnen Schleier, wohin alle Vampire letzten Endes gelangen. Er wurde geschaffen, als Kesana die Welt zu ihrem Spielplatz machte, indem sie die Dämonen in ihre Seele einließ.«
    Wind toste und kreischte um mich her, rief mich zur Jagd, forderte mich auf, zu trinken, die Welt zu erobern und in Stücke zu reißen.
    »Was ist das für ein Ort?«
    »Dies ist das Herz der Blutlust, die Quelle unserer Macht und das einzige Andenken, das uns von Kesana geblieben ist. Dies ist die Urkraft der Vampire. Manche glauben auch, der Purpurne Schleier sei der letzte Rest von Kesanas Seele.«
    »Warum habe ich das nicht gespürt oder gesehen, als Dredge mich verwandelt hat? Wissen denn alle anderen Vampire davon außer mir?«
    Sie schüttelte den Kopf.

Weitere Kostenlose Bücher