Vampirnacht
wilde Natur mehr zum Vorschein bringen. Das hast du wahrscheinlich schon gemerkt.«
»Ja, aber es ist nicht so schlimm. Ich habe es im Griff.«
»Tja, dann habe ich das Richtige getan. Und Blodweyn kennenzulernen und etwas über den Ursprung der Vampire zu erfahren, war interessant, um das mindeste zu sagen. Sehr informativ.« Romans Mutter war mir entsetzlich unheimlich, aber ich hatte das Gefühl, dass sie und ich in den nächsten Jahren öfter miteinander zu tun haben würden.
»Jetzt lässt sich sowieso nichts mehr daran ändern«, sagte Smoky. »Menolly hat sich entschieden und das Ritual durchgezogen, also gibt es kein Zurück. Aber, Menolly, wenn du mal wieder eine Entscheidung über etwas so Drastisches zu treffen hast, könntest du uns zumindest vorher informieren.«
Iris sprach kein Wort mit mir – sie sah stinksauer aus, und ich hatte das Gefühl, dass ich sie mit dem Ritual genauso schwer verärgert hatte wie mit meiner Entscheidung, Ivana Krask zu holen. Schweigend half sie Hanna beim Abwasch, und dann sagten sie und Bruce gute Nacht und gingen hinaus zu ihrem Wohnwagen. Die Jungs hatten eine Art Alarmanlage gebastelt, so dass wir es nicht überhören würden, wenn ihnen irgendetwas zu nahe kam. Hanna räumte das Geschirr ein und kochte uns eine letzte Kanne Tee.
Ich lehnte mich an die Küchentheke. »Vielleicht solltet ihr mal früh schlafen gehen. Morgen Abend müsst ihr ausgeruht sein.«
»Ja, da hast du recht.« Delilah küsste mich auf die Wange, und sie und Shade nahmen ihren Tee mit nach oben. Camille und ihre Männer lümmelten noch am Tisch, doch sie starrten still in ihre Tassen.
Nerissa stand auf. »Komm mit, Liebste. Wenn ich schon wieder hier übernachten muss, können wir die Zeit auch nutzen. Und da sind ein paar Sachen, über die wir reden müssen.«
Das klang nicht gut. Meiner Lebenserfahrung nach leiteten die Worte
Wir müssen reden
nie eine angenehme Unterhaltung ein.
Wir verabschiedeten uns von den anderen und gingen in den Salon. Nerissa schlüpfte aus den Schuhen und in ihr Nachthemd. Ich zog mir die Stiefel aus und war froh über eine Nacht, in der ich mal nicht rausmusste, um irgendwelche Monster zu jagen.
Sie setzte sich mit dem Katalog von vorhin aufs Sofa, schlug ihn an einer Stelle auf, die mit einem Post-it markiert war, und hielt ihn mir hin. »Was meinst du?«
Ich starrte den Strauß an. Weiße Rosen und violette Lilien, umringt von zarten Farnwedeln. »Der ist sehr hübsch. Gefällt mir gut. Ist das der richtige für dich? Den würde ich auch gern zum Altar tragen.«
Ich überlegte hektisch, wo genau dieser Altar denn stehen sollte. Notfalls konnten wir hier im Haus heiraten, aber das wollte ich nicht, und für Nerissa wäre es sicher eine Enttäuschung. Sie verdiente etwas Besonderes, und das sollte sie bekommen.
»Warum ist Iris böse auf mich?« Ich legte den Katalog weg, lehnte mich zurück und sah zu, wie der Sekundenzeiger über das Ziffernblatt wanderte. Es gab so viele Dinge in diesem Haus, über die ich normalerweise nie nachdachte. Diese Uhr zum Beispiel – eine Antiquität, in Rinas Geschäft gekauft, ehe die Dämonen sie ermordet hatten.
Wie lange unser erster Kampf gegen Bad Ass Luke zurückzuliegen schien. Tatsächlich war das erst anderthalb Jahre her. Doch mir kam es so vor, als sei ein ganzes Leben vergangen, seit wir die ersten Dämonen entdeckt hatten, die hier für Schattenschwinge arbeiteten. So viel war seitdem passiert.
»Kannst du dir das nicht denken?« Nerissa zog die Beine unter sich und legte sich die Decke um die Schultern. »Iris und du, ihr habt eine besondere Beziehung – eine besondere Freundschaft. Sie hat schreckliche Angst um dich. Sie fürchtet, du könntest dich mit deiner Waghalsigkeit noch umbringen. Und sie will dich nicht verlieren.«
Ich starrte auf meine Füße hinab, streckte sie aus und wackelte mit den Zehen. »So habe ich es noch gar nicht betrachtet. Ich weiß schon, was ich tue …«
»Blödsinn. Meistens weiß keine von uns so wirklich, was wir tun. Wir stolpern durch den Tag und geben uns Mühe, irgendwie voranzukommen, ohne uns völlig lächerlich zu machen … oder schwer verletzt zu werden. Oder in deinem Fall, gepfählt. Also erzähl mir nicht so einen Quatsch von wegen du wüsstest schon, was du tust. In dieser Hinsicht bist du genau wie wir anderen, auch wenn du hin und wieder jemanden beißt.« Sie schnaubte und gähnte dann so gewaltig, dass ich praktisch ihre Mandeln sehen konnte.
Ich
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