Vampirnacht

ihm sämtliche Finger brechen können.
    Und dann war der Augenblick verflogen, die Spannung ließ nach. Als ich seine Hand losließ, nickte ich ihm stumm zu, und er lächelte.
    »Du kannst nie wieder nach Hause gehen.« Delilah sah mich an. »Aber das haben wir ja nicht vor. Selbst wenn wir Vaters Haus aufsuchen, gehen wir nicht nach Hause. Wir gehen … dorthin, wo wir mal gewohnt haben.«
    Shade schlang den Arm um ihre Taille. »Ihr habt ein Zuhause, in der Erdwelt. Und solltet ihr eines Tages in die Anderwelt zurückkehren, werdet ihr euch ein neues Zuhause aufbauen.« Und auf einmal fühlte ich mich wieder ganz normal. Wir gingen weiter.
    Aber irgendetwas anderes fühlte sich immer noch seltsam an. Ich rückte näher an Camille heran. »Setz mal deine besonderen Sinne ein. Irgendwas stimmt hier nicht.«
    Sie blieb stehen, und ich spürte das Aufwallen von Magie, als sie die Augen schloss. Doch weiter kam sie nicht, ehe ein lautes Krachen die Nacht zerriss und eine große Gruppe Männer aus der Dunkelheit einer nahen Gasse hervorsprang.
    Sie waren keine Treggarts und keine Feen, doch ein Blick in ihre Gesichter sagte mir, dass das kein Spaziergang werden dürfte. Sie waren mit langen Dolchen bewaffnet und ganz in Schwarz gehüllt, um sich besser in den Schatten verbergen zu können. Der Anführer – zumindest hielt ich ihn dafür – war schlank, mit langem, dunklem Haar, das er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, und einem silbernen Kopftuch darüber. Silberketten klimperten an seinem Hals, und er ließ eine hässliche, gezahnte Klinge vor uns durch die Luft kreisen. Das war es allerdings nicht, was mich nervös machte.
    Als er näher kam, erkannte ich sofort, was er war. Diese anmutigen, fließenden Bewegungen waren unverwechselbar: ein abtrünniger Jian-tu. Damit war er beweglicher und schneller als alle anderen in unserer Gruppe, außer mir. Er und seine Leute fächerten sich im Halbkreis auf und versperrten uns den Fluchtweg.
    »Reicht uns eure Wertsachen, meine Hübschen, und wir lassen euch gehen.« Seine Stimme klang hell, und obwohl ich die Sprache unserer Heimat schon länger nicht mehr gesprochen hatte, klang sie vertraut in meinen Ohren.
    »Ich rate euch, uns ziehen zu lassen. Ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr euch anlegt«, sagte Shade und stellte sich neben Delilah.
    »Ein Grüppchen feiner Pinkel, nehme ich an. Wohlhabende Leute. Ihr stammt offensichtlich nicht von der schmuddeligen Seite der Stadt. Also schlage ich vor, ihr rückt eure Wertsachen raus, dann lassen wir euch gehen und belästigen euch nicht weiter.« Der Anführer lachte kehlig.
    »Ach ja?« Blitzschnell erschien Delilahs Dolch in ihrer Hand. Im selben Moment zückte Trillian seine Klinge, und Camille trat zurück und sog Energie herab. Inzwischen erkannte ich es, wenn sie einen Zauber vorbereitete. Vanzir hatte Stahl in der Hand, und Roz irgendetwas Kleines, aber zweifellos Tödliches. Shade verpuffte plötzlich in einem Rauchwölkchen.
    Ich lächelte nur und fuhr meine Fangzähne aus. »Seid ihr sicher, dass ihr euch mit uns anlegen wollt, mein Hübscher?«
    »Crimsy, die sind bewaffnet.« Einer der Schläger wich einen Schritt zurück, doch die anderen – insgesamt etwa ein Dutzend – traten vor.
    »Lass meinen Namen aus dem Spiel, du Esel.« Der Anführer – anscheinend Crimsy – machte einen Riesensatz und landete vor Delilah. Seine Klinge wirbelte herum, und sie konnte sich gerade noch ducken.
    »Er ist ein Jian-tu. Seid vorsichtig!« Ich sprang in die Luft, schlug einen Salto und landete neben ihm. Crimsy fuhr herum, und seine Augen leuchteten auf.
    »Wie schön – ebenfalls Jian-tu, und noch dazu ein blutiges Mädchen. Dann komm, gib’s mir, Süße.« Er gestikulierte mit seinem Dolch, und ich dirigierte ihn von Delilah weg, die schon von einem weiteren Räuber angegriffen wurde. Ich wusste, dass ich ihn keinen Moment lang aus den Augen lassen durfte. Ich war hervorragend ausgebildet, und er höchstwahrscheinlich auch.
    »Du wirst gleich herausfinden, wie blutig.« Ich katapultierte mich in die Luft, überschlug mich über seinem Kopf und landete hinter ihm. Im Aufkommen wirbelte ich herum und rammte ihm einen spitzen Stiefelabsatz in den Rücken, dass er nach vorne flog.
    Crimsy rollte sich geschickt ab und sprang auf die Füße. Er täuschte einen Salto rückwärts an, verdrehte sich aber in der Luft, so dass er mir wieder gegenüberstand. Wir starrten uns in die Augen, während er den Dolch von einer