Vampirnacht
Roman, und wir fuhren nach Hause.
»Was wolltest du fragen?« Ich schaute zu Nerissa hinüber, die sich im Sitz zurücklehnte. Sie war es gewöhnt, die halbe Nacht lang mit mir aufzubleiben, also war sie sicher nicht nur erschöpft, obwohl sie schon müde aussah. Aber ich spürte, dass ihr irgendetwas zu schaffen machte.
»Wir haben noch gar keine Einladungen für die Hochzeit verschickt. Roman hat abgesagt, ohne zu wissen, wann sie überhaupt stattfinden wird. Was meinst du, warum?«
Diese Kleinigkeit war mir auch nicht entgangen. »Ich habe keine Ahnung, und wahrscheinlich will ich es lieber nicht wissen. Aber … ich glaube … ach, ich weiß nicht. Nein, ich will nicht einmal spekulieren. Roman könnte tausend Gründe dafür haben, und ich will nicht einfach von irgendeiner Annahme ausgehen. So etwas kann bei Vampiren gefährlich sein.«
»Ja, das verstehe ich. Aber … die Energie hat sich so sehr verändert. Als wir gegangen sind, war mir richtig unheimlich. Was ist da passiert? Warum? Und warum will ich dieses Haus nie wieder betreten?«
Ich antwortete nicht, und sie wandte den Kopf ab und schaute hinaus in die Dunkelheit. Während wir durch Regen und aufsteigenden Nebel rollten und zahllose Tropfen im Licht der Scheinwerfer glitzerten, rasten tausend Gedanken durch meinen Kopf, und keiner davon war angenehm.
Im Schlaf streifte ich wieder in der Traumzeit umher, eingehüllt in Nebel und einen weinroten Umhang mit Kapuze. Ich suchte nicht nach Roman – am liebsten würde ich ihn eine ganze Weile gar nicht mehr sehen. Zum Glück standen in den nächsten paar Wochen keine offiziellen Ereignisse an.
Während ich zwischen Felsen und Nebelfeldern hindurchging, versuchte ich festzustellen, warum ich hier war. Manchmal träumte ich ganz normal, meistens Albträume. Und manchmal schlief ich einfach in tiefem Vergessen, seliger Unwissenheit, bis der Sonnenuntergang mich wach rief.
Doch wenn ich mich in der Traumzeit wiederfand, gab es dafür meistens einen Grund. An einem Felsbrocken blieb ich stehen, setzte mich darauf und wartete auf irgendeine Antwort auf meine Frage – ein Zeichen oder eine Intuition, die mich in eine bestimmte Richtung stupste.
Als mir tatsächlich jemand auf die Schulter tippte, erschrak ich mich zu Tode. Erstens hatte ich nicht damit gerechnet, und zweitens war das ein
echter
Stups, und der stupsende Finger gehörte – Chase.
»Chase!« Ich sprang auf. »Was zum Teufel tust du in der Traumzeit?«
Er trug eine dunkle Jeans und ein Sportsakko, und sein Haar war zerzaust, als hätte er es länger nicht mehr gekämmt. »Ich habe keine Ahnung. Irgendetwas stimmt wohl nicht. Wenn du mich fragst, habe ich gerade eben noch an meinem Schreibtisch gesessen, und jetzt bin ich hier, aber ich kann mich nicht daran erinnern, nach Hause gefahren oder ins Bett gegangen zu sein.«
»Setz dich.« Ich deutete auf den freien Platz neben mir auf dem Felsbrocken. Wenn ich schon hier draußen herumsaß, hatte ich jetzt wenigstens Gesellschaft. »Kannst du nicht einfach aufwachen oder so? Ich kann es nicht, aber … du bist ein Mensch.«
»Ein Mensch mit nicht so viel Elf drin?« Er lächelte. Als ich ihn verständnislos ansah, seufzte er, lehnte sich zurück und stützte sich auf die Ellbogen. »Ach, komm schon, jetzt bist du schon so lange hier und hast immer noch nicht
Monty Python’s Flying Circus
gesehen? Den Rattensketch?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. »Fernsehen ist eher Delilahs Ding.«
»Schon gut. Wenn ich den Witz erklären muss, ist er nicht mehr lustig.« Er seufzte und setzte sich wieder auf. »Ich habe das Gefühl, dass ich mich an irgendetwas erinnern sollte, aber es fällt mir nichts ein.«
»Ich auch – bei mir ist es das Gefühl, dass ich irgendetwas herausfinden sollte, aber ich habe keine Ahnung, was es ist.« Ich schwieg einen Moment und dachte mir dann, wenn wir schon mal hier waren, konnten wir ebenso gut ein bisschen quatschen. »Wie geht’s Sharah?«
»Praktisch unverändert. Sie weint ständig. Übergibt sich ständig. Sie und Iris sind schon verabredet, um sich über Schwangerschaft und Babys auszutauschen. Ach ja, sie hat mich heute Morgen gebeten, dir zu sagen, dass Siobhan Morgan zur Isle of Man aufgebrochen ist, schon vor einer Woche. Sie und Mitch müssen rechtzeitig vor der Geburt ihres Babys dort sein.«
Ich nickte. »Ich kann mit Babys nicht so viel anfangen, aber ich bin froh, dass sie das kann. Nicht zu fassen, wie lange es schon wieder her
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