Vampirnacht
Macy’s und diversen Boutiquen.
»Oh, den Göttern sei Dank, dass du in Sicherheit bist! Nach Iris’ Anruf habe ich mir solche Sorgen gemacht – ich habe mir alle möglichen grauenhaften Dinge ausgemalt.« Ich stieg über die Tüten und Schachteln hinweg und beugte mich vor, um sie zu küssen. »Warum hast du mich nicht angerufen?«
Nerissa lächelte. »Ich wusste ja nicht, dass so viel los ist. Ich hatte heute mehrere Termine außer Haus und bin gar nicht mehr ins Hauptquartier gefahren, ehe ich Feierabend gemacht habe. Ich habe nicht mitbekommen, dass Chase in solcher Gefahr schwebt.«
Ich blickte mich um. »Wo ist er eigentlich? Habt ihr es geschafft, Sharah und ihn an den Irrlichtern vorbei hereinzuholen, oder gab es Schwierigkeiten?«
Delilah nickte. »Wir haben es geschafft, aber das war ein ganz schöner Kampf. Sie haben uns umschwärmt, es war scheußlich. Aber immerhin konnten Iris und Bruce diese Ablenkung nutzen und ins Haus kommen.« Sie verstummte, als Hanna mit einem Tablett in der Hand hereinkam. Marion folgte ihr mit einem weiteren Tablett. Auf beiden stapelten sich Teetassen, Kekse und Selbstgebackenes. Marions große Zimtbrötchen, die sie auch im Café servierte! Ich hätte zu gern mal eines probiert.
Sie stellten die Tabletts auf dem Couchtisch ab, und Marion blickte auf. »Ich weiß, dass das kein günstiger Zeitpunkt ist, aber ich möchte etwas mit euch allen besprechen.«
»Was ist los, Marion? Bitte sag jetzt nicht, dass die Koyanni wieder aufgetaucht sind?« Von den wüsten Kojote-Wandlern hatten wir endgültig genug gesehen.
Während Hanna Tee einschenkte, wischte Marion sich die Hände an der Jeans ab und setzte sich neben Morio aufs Sofa.
Marion war selbst eine Werkojotin. Sie und ihr Mann Douglas wohnten seit einem Monat bei uns, weil Telazhars Gehilfen ihr Haus und das Café in Brand gesteckt hatten. Nachdem er dann noch Gulakah, den Geisterfürsten, hierhergelotst hatte, hatte Telazhar sich in die Anderwelt abgesetzt. Immerhin hatte die Versicherung tatsächlich gezahlt – Marions Café wurde wieder aufgebaut, und sie und Douglas suchten nach einem neuen Haus.
»Nein, von den letzten Überbleibseln keine Spur. Ich wollte euch sagen, dass Douglas und ich ausziehen und woanders wohnen werden, bis unser Haus fertig ist.«
Delilah sprang auf. »O nein! Bitte, wir wollen nicht, dass ihr geht. Hat irgendjemand etwas gesagt oder getan, das euch das Gefühl gegeben hat, ihr wärt hier nicht willkommen?«
»Ganz und gar nicht.« Marion nippte an ihrem Tee und biss in einen Keks. »Aber seien wir mal realistisch – hier wohnt eine ganze Armee. Ihr habt nicht so viel Platz, und wir stören zusätzlich. Wir haben ein Angebot bekommen, bei dem ich sogar etwas zu tun haben werde, während wir nach einem Haus suchen und darauf warten, dass ich das Café wiedereröffnen kann. Douglas hat ja noch seinen Job, aber ich brauche das Gefühl, mich nützlich zu machen, und hier kann ich eben nicht so viel tun.« Sie lächelte. »Also haben alle etwas davon.«
»Wo zieht ihr denn hin?« Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie genug Geld für ein Hotel hatten. Schließlich wusste niemand, wie lange es dauern würde, bis sie ein neues Haus fanden und einziehen konnten.
»Wir ziehen zu Wilbur und kümmern uns um ihn.«
Morio erstickte fast an seinem Keks, und Vanzir spuckte einen Mundvoll Tee aus. Wir übrigen starrten Marion an, als sei sie verrückt geworden. Nur Iris hielt sich nicht zurück.
»Ihr wollt bei
Wilbur
einziehen? Du machst wohl Witze. Marion, hast du den Verstand verloren?« Sie stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und setzte mit blitzenden Augen zu einer Gardinenpredigt an. »Wilbur ist … er ist …«
Marion hob abwehrend die Hand. »Wilbur hat sein Bestes getan, euch gegen die Koyanni zu helfen, und wurde dabei sehr schwer verletzt. Er wird bald aus dem Krankenhaus entlassen, aber er wird Pflege brauchen, bis er mit seiner Beinprothese wirklich zurechtkommt. Douglas und ich … wir wollen ihm helfen. Dann kann auch Martin wieder nach Hause.«
Wilbur war ein Nekromant, der auf unserer Seite stand – nun ja, soweit es eben möglich war. Er war ungehobelt und vulgär und hatte seinen Bruder Martin, den Buchhalter, von den Toten auferweckt und in einen Ghul verwandelt – weil er seine Familie unbedingt bei sich haben wollte. Aber Marion hatte recht. Wilbur hatte unsere Geheimnisse verteidigt und dafür beinahe mit dem Leben bezahlt. Sein Bein war so schwer
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