Vampirsaga 02 - Honigblut
wurde der Magistrat in der Tat hellhörig.
Innerlich triumphierend legte Xylos auf.
„Du hättest ihn nicht extra warnen müssen!“, meinte Maeve. Ihre Stimme enthielt keinen Tadel, und ihr Gesicht war schön und undurchschaubar wie immer. Erst als sie ihn direkt ansah, konnte Xylos den Schmerz und das Misstrauen sehen, was die Jahrtausende sie gelehrt hatten. „Kann ich mich auf dich verlassen, Xylos?“
„Immer!“, behauptete er und wusste, dass es die Wahrheit war.
Die Königin spürte es ebenfalls. Trotzdem fragte sie mit einem traurigen Lächeln. „Wieso?“
Xylos wand sich innerlich unter ihrem prüfenden Blick. „Du kennst die Antwort!“, behauptete er. Beide kannten die Antwort – seit ihrer ersten Begegnung.
„Amüsier mich!“ In ihren Worten schwang eine Bitte mit. Lass mich wissen, dass mich wenigstens ein Mensch, ein Vampir, nicht hasst.
„Du hast mich geliebt und gerettet!“ Er lächelte sie an, wusste, dass er ihr nicht sofort gab, was sie wollte und sonst immer zu hören bekam.
„Ich habe jeden Mann geliebt, der so aussieht wie du“, ihre Stimme verklang leise, als sie sich an die unaussprechlichen Gräueltaten erinnerte, die sie getrieben hatte. Jahrhunderte lang, einmal im Jahr.
Heute wusste sie um die Bedeutung dieses Tages, damals waren ihr ihre Beweggründe egal gewesen. Triebhaft und animalisch hatte sie sich genommen, was sie begehrte, geliebt, was sie brauchte und getötet, was sie verraten hatte.
Einzig ihre Zwillingsschwester hatte die Wahrheit geahnt. Und noch heute wusste niemand außer ihm, Edward und Sofia, dass es jedes Mal Julius Todestag gewesen war. Der Tag, an dem die Hexe Maeves Seelenpartner in den Selbstmord getrieben hatte.
„Du magst all diese Männer irgendwie geliebt haben, aber du hast sie nie gerettet!“, meinte Xylos. Nur mich, mich hast du leben lassen.
„Ich habe dich nicht gerettet, ich habe dich verdammt!“ Maeve sah in den Spiegel, wie um sich zu vergewissern, dass sie dort ein Abbild sah und immer noch im Besitz einer Seele war.
Xylos lenkte ein. „Ich habe damals alles so gemeint, wie ich es gesagt habe.“ Der einzige Grund, warum sie mich gerettet und die anderen getötet hat.
„Ich weiß!“ Tränen traten in Maeves Augen. Immer noch fand Xylos es erschreckend, dass Vampire keine Blutstränen weinten, sondern ebenso salzige Flüssigkeit wie die Sterblichen. Es machte sie lebendiger – und verletzlicher.
Der Kloß in seinem Hals schwoll an. „Ich meine es heute noch genauso!“ Wahrheit.
„Ich weiß!“ Maeves Lächeln war schrecklich schön. Auf seltsame Art und Weise tröstete ihn dieses Lächeln. Sie war die einzige Frau, der er ihre Schönheit nie zum Vorwurf gemacht hatte – oder ihre Macht. Vielleicht, weil sie innerlich ebenso zerbrochen ist, wie du?, dachte sein Verstand, bevor sich sein Ego einmischte: Hei! Ich bin nicht zerbrochen! Zumindest nicht ganz.
Trotzdem erinnerte er sich an das Sehnen, welches ihn immer überkam, wenn er eine neue Frau kennenlernte. Es kam immer wieder, ungefragt und ungewollt, und dann übernahm die Realität. Jennifer Schreiner Honigblut
Maeves Lächeln wuchs, wurde weniger verführerisch, unschuldiger. Sie wusste wirklich um die Wahrheit, hatte sie selbst durch ihren Wahnsinn hindurch gespürt und Xylos dafür geliebt. Doch obwohl sie immer sein Rettungsanker sein würde, würde sie ihn nie lieben können. Ihm nie die Liebe schenken, die er brauchte und nötig hätte. Auch wenn er es nicht wusste und nicht einmal an Liebe glaubte.
„Manchmal wünschte ich, es wäre anders.“ Er verstand, dass sie nicht nur die Liebe meinte, sondern auch das Schicksal. Ihres und seines.
*** Der Angriff kam unerwartet und aus dem Hinterhalt. In einem Augenblick waren Maeve und Xylos allein im Raum, im nächsten waren die anderen Vampire da. Getarnt durch einen der Armreifen, die die Hexe extra für die Schatten erschaffen hatte, hatten sie sich unter den Radar geschlichen und ihm und der Königin jede Fluchtmöglichkeit genommen. Noch bevor die beiden die Chance hatten, auch nur an Hilfe zu denken.
Der erste Hieb nach Xylos‘ Kopf war nur aus einem einzigen Grund nicht tödlich: Weil sich der Vampircallboy mit einem Sprung schützend vor Maeve katapultiert hatte und ihn die Klinge nur am Arm erwischte.
Doch die Königin blieb selbst reglos stehen, als sich die Vampire in zwei Gruppen teilten und sich in ihren Rücken zu schleichen
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