Vampirzorn
wurde Antonios Traum womöglich noch eine Spur düsterer. In dem Versuch, die Düsternis zu vertreiben – vielleicht auch, um was immer, was da auf ihn zukommen mochte, aufzuhalten – versuchte er, zum bisherigen Thema zurückzukehren:
»Was willst du mir damit sagen, Vater? Weshalb dieser plötzliche Sprung von Harry Keogh zur Telepathie?«
Daran schien der Alte sich geradezu zu klammern. Ein plötzlicher Sprung? Ach, gut! Antonio fürchtete bereits, dies sei der Beginn eines neuen Wortspiels. Doch dann fuhr der Alte rasch fort: Telepathie! Es gibt sie also, darin stimmen wir überein. Doch wenn das zutrifft, wie verhält es sich dann mit »plötzlichen Sprüngen«? Mit ... Teleportation?
Antonio schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht akzeptieren. Selbst die Alten Wamphyri kannten nichts Derartiges! Das ist bestenfalls reine Theorie. Telepathen, Gestaltwandler – wir wissen, dass es so etwas gibt. Dafür haben wir jederzeit einen Beweis. Teleportation hingegen ...?«
Langes Schweigen. Reine Theorie? , sagte sein Vater dann, sehr leise. Tatsächlich? Nun, damals hätte ich das ebenfalls gedacht. Aber was ist mit diesem Harry Keogh? Selbst seine multiplen Persönlichkeiten verhielten sich mit einem Mal ruhig und warteten ab.
Antonio hielt gleichfalls den Atem an. Im Grunde war es lächerlich, doch es erklärte das ansonsten Unerklärliche: wie Keogh in die Manse Madonie gelangt und wie ihm seine Flucht geglückt war und die Tatsache, dass nie jemand etwas davon mitbekommen hätte, wäre da nicht diese automatische Kamera gewesen. Darum fühlte er sich zu der Frage genötigt: »Weißt du das von den zahllosen Geistern derer, die du verschlungen hast?«
Ja! Ich erfuhr es, als sie draußen , in der Leere der Toten, Erkundigungen über diesen Harry Keogh einzogen.
»Na und!«, entgegnete Antonio. »Ich meine, selbst wenn es wahr wäre, bleibt er immer noch nur ein Mensch. Kann er vielleicht Hochgeschwindigkeitsgeschossen ausweichen? Ist er unempfindlich gegen Stahl, Gift oder eine Garrotte? Im Augenblick befindet Francesco sich in England. Und, glaub’ mir, er wird unseren Mister Keogh töten!«
Und wenn nicht? Was, wenn dieser Keogh sich zur Wehr setzt? Toni, du sagtest, du würdest bald mit Francesco sprechen. Gut! Dann sag’ ihm, er soll diesen Harry Keogh in Ruhe lassen!
»Aber Keogh hat uns bereits einmal bestohlen. Und wenn das, was du da sagst, stimmt – nun, dann kann er es wieder tun. Jederzeit, wenn er will!«
Ebendeshalb dürft ihr nicht versuchen, ihn umzubringen. Lockt ihn aus der Reserve, reizt ihn, wo ihr nur könnt, damit er, wenn diese Sache mit Radu vorüber ist, Lust verspürt hierherzukommen, um euch aufzuspüren. Aber versucht auf gar keinen Fall, ihn umzubringen. Noch nicht!
»Und falls er vorher wiederkommt? Jetzt sollten wir uns seiner entledigen, damit er niemals wiederkehren kann!«
Was ist nur aus allem geworden? Angelo stöhnte gespielt auf. Er troff vor Sarkasmus. Aus der viel gepriesenen Heimtücke der Wamphyri? Hah! Mit einem Knurren fuhr er fort: Stelle ihm eine Falle, du Narr!
»Eine Falle? Aber wie? Und wo?«
Wo hat er euch beim letzten Mal empfindlich getroffen?
»In der Schatzkammer!«
Genau! Er hat eure Schatzkammer in die Luft gejagt. Und beim nächsten Mal fliegt er in die Luft! Stolperdrähte, Druckauslöser, Fotozellen. Wenn er sich dort materialisiert ...
»... ist es ein für alle Mal aus mit ihm!«
Ganz recht! Aber ihn verfolgen? Bloß nicht! Francesco wäre gut beraten, ihn und alle, die sich bei ihm befinden, zu meiden wie die Pest.
»Und wenn er mit Radu und dessen Rudel läuft, was dann?«
Dann ... ist es wohl unvermeidbar. Dann müsst ihr ihn wirklich töten. Denn wenn sie gemeinsame Sache machen ... gemeinsam wären sie unschlagbar! Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Radu Lykan mit irgendjemand gemeinsame Sache macht. Darum schlage ich vor, ihr kümmert euch zunächst um den Hunde-Lord, ehe ihr euch mit Keogh befasst, und zwar so, wie ich es gerade gesagt habe.
»Und was wird aus unserem Schatz, unserem Geld, der Grundlage unserer Macht? Damit ein solcher Plan funktioniert, müssten wir es erst ...«
... an einen anderen Ort schaffen, ja. Andernfalls fliegt das, was davon übrig ist, gemeinsam mit diesem Keogh in die Luft.
»Wegschaffen? Aber wohin?«
Wo wäre es denn am sichersten?
»Hier«, antwortete Antonio mit einem Nicken. »Genau hier, in dieser Höhle, wo du darüber wachen kannst. Dann dürfte Francesco
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