Vampirzorn
eigentlich?«
Francesco deutete auf die Felssäule. »Ich nehme diese Seite, du die andere. Geh’ außen herum, halte dich dicht am Felsen und schieße auf alles, was sich bewegt.«
Doch als sie an der Rückseite anlangten, war da nichts. Dafür erscholl ein tiefes, düsteres Grollen in Francescos Geist: Viel zu spät, zu langsam. Ihr wart zu dritt, als ihr hier herunterkamt – aus eigenem, freiem Willen – und jetzt seid ihr nur noch zwei. Nicht mehr lange, Ferenczy, dann heißt es nur noch: du und ich. Hast du Angst?
Im ersten Augenblick fühlte Francesco sich, als habe er einen Schlag ins Gesicht erhalten. Doch dann knurrte er: »Was denn, Angst vor einem Mischling? Vor einem Hundewesen? Wenn du eine so furchtbare Bedrohung darstellst und so gefährlich bist, Radu, weshalb bringen wir es dann nicht gleich hier und jetzt zu Ende, von Angesicht zu Angesicht?« Zum Teil war es Wagemut, aber nicht nur. Denn hinter der Prahlerei des Hunde-Lords hatte er noch etwas anderes gespürt – war es Enttäuschung? Verzweiflung? Irgendetwas, was Radu zu verbergen suchte.
Und Radu wusste, dass er es mitbekommen hatte. Die telepathische Verbindung hatte weit mehr übertragen, als er Francesco wissen lassen wollte. Das Grollen des Hunde-Lords wurde zu einem wütenden Jaulen, während er seine geistige Sonde zurückzog.
»Oh?«, wandte Francesco sich an Manoza, der ihn ansah, als hätte er sie nicht mehr alle. »Ist was?«, brummte der Francezci missmutig.
»Du hast ... du hast mit ihm geredet!«, sagte Manoza. »Du hast ihn herausgefordert. Dabei ist er gar nicht da.«
Francesco grinste humorlos. »Selbstverständlich hat er sich verzogen, Luigi – er ist abgehauen, weil er Angst hat. Aber er hat mich sehr wohl gehört. Und ich habe ihn zum Kampf gefordert, weil er schwach ist. Radu geht es nicht gut! Er ist angeschlagen von seinem Jahrhunderte währenden Schlaf, von seiner Auferstehung, krank, weil er eine Seuche in sich trägt, und die Zeit tut ein Übriges. Er ist ein alter, kranker Wolf, und sein einziger Vorteil besteht darin, dass er sich in diesem verdammten Labyrinth auskennt. Aber seine Gedanken verraten ihn. Sie sind wie ein Fanal für mich. Los, folgen wir seiner Spur ...«
Es war eine Blutspur – Tanzianos Blut! Nach einer Handvoll Schritte endete sie abrupt vor seinem Leichnam. Seine Beine ragten hinter einer Felsplatte hervor. Die Zunge war ihm beinahe herausgerissen und nach vorn gezerrt worden, um ihm den Mund zu stopfen und ihn so am Schreien zu hindern. Sein Rückgrat war gebrochen, sein Herz durch ein klaffendes Loch in der Brust und mehrere zerschmetterte Rippen entfernt worden.
»Heilige ...!«, sagte Luigi Manoza. Sein Kehlkopf hüpfte auf und ab in dem Bemühen, genügend Speichel für dieses eine Wort zu sammeln.
»Heilige?«, funkelte Francesco ihn an. »Heilige was?«
»Heilige Scheiße!«, stieß Manoza hervor. Er war zwar ein Vampir, allerdings nur ein Knecht. Und dies das Werk eines Wamphyri. Allerdings eines Wamphyri, der grundverschieden war von Francesco.
Vor ihnen tat sich eine Felswand auf, die sich in zwei Gänge teilte. In beide führten Spuren hinein. »Du vermagst, im Dunkeln zu sehen«, rief der Francezci dem sichtlich erschütterten Manoza ins Gedächtnis. »Mit deiner Waffe bist du ihm überlegen. Du kannst fünfundzwanzig Kugeln pro Sekunde in diesen Bastard pumpen! Mach’, dass du in diesen Tunnel kommst. Wenn die Spur sich verliert, kehrst du hierher zurück. Ich werde das Gleiche tun. Und jetzt los!«
Manoza setzte sich in Bewegung. Doch kaum war er wenige Schritt weit in den Gang gestolpert, sah er hoch über sich einen unregelmäßigen Lichtfleck und an der Wand zu einer Treppe aufgehäufte Steinblöcke und weitere, in den Fels gehauene Stufen, die zu einem Gebilde führten, das wie ein Felsenbogen mit einem natürlichen Wehrgang aussah. Alles strebte nach oben, hinaus aus der Höhle, was Manoza äußerst verlockend erschien.
Dafür würde der Francezci ihn umbringen, sofern er vorher nicht selbst getötet wurde. Doch da Manoza nicht wissen konnte, was Francesco wusste oder zu wissen glaubte, war dies vorerst sein geringstes Problem. Außerdem befand sich dort oben der Hubschrauber. Dazu noch Licht, Luft und die Freiheit. Hier unten hingegen erwartete ihn der wahre Tod in Gestalt eines Schreckens aus grauer Vorzeit. Die Entscheidung fiel nicht schwer – zumal eine knurrende Stimme in seinem Geist ihn antrieb: Lauf, kleiner Mann, lauf! Rette dich, denn dein
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