Vampyr
einer schwarzen Welle der Erinnerung durch ihren Geist. Er stand neben dem Fenster und beobachtete Daeron aufmerksam.
»Wie kann er …!« Daeron packte ein Glas und schleuderte es gegen die Wand, wo es zerbrach. »Ich bin es leid, alles hinzunehmen, was er tut!«
Sutherland trat näher und legte ihm seine fleischige Hand auf die Schulter. »Macht Euch keine Sorgen, mein Freund. Es gibt für alles eine Lösung.« Seine Stimme war weich und freundlich, doch seine Augen waren kalt wie Stahl. »Warum sucht Ihr mich nicht morgen Früh auf«, schlug er vor. »Es würde mich freuen, wenn wir uns einmal ungestört unterhalten könnten. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns besser kennen lernen.«
»Ich hoffe, ich kann so lange warten.« Daerons Blick wanderte zur Tür, durch die Martáinn davongestürmt war, und kehrte gleich darauf wieder zu Sutherland zurück. Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er nickte.
»Dann also morgen Früh.« Sutherland verneigte sich und ging.
Catherine stand wie angewurzelt da. »Sag, dass das nicht dein Ernst ist! Sag, dass du nicht vorhast Martáinn zu verraten!« Sag, dass du mich mit deiner Freundlichkeit nicht nur getäuscht hast, um mich in Sicherheit zu wiegen!
Daeron fuhr herum. Schlagartig wich das Lächeln aus seinen Zügen. Er tat einen Schritt auf sie zu und streckte eine Hand nach ihr aus, nur um sie sogleich wieder zurückzuziehen. »Nicht jetzt.« Er wandte sich zum Gehen.
»Ich hätte es wissen müssen!«, stieß sie bitter hervor. »Du hast dich nicht geändert.«
Ihre Worte ließen ihn noch einmal innehalten. »Das ist nicht wahr. Ich … wenn ich zurück bin, erkläre ich dir alles.«
»Das kannst du dir sparen.« Sie wollte keinen Moment länger in seiner Nähe sein. Wollte nicht mit ansehen, wie er Martáinn in den Rücken fiel. Da kam ihr ein Gedanke. So erschreckend, dass sie einen Schritt zurückwich. Was, wenn er etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Aber er hatte Martáinn vor dem Bolzen gerettet! Weil er es sich nicht erlauben kann, dass Martáinn in der Öffentlichkeit etwas zustößt. Die Menschen würden Fragen stellen, würden wissen wollen, warum er nicht reagiert hat, obwohl er die Gefahr erkennen hätte müssen.
Einen Moment glaubte sie, er wolle noch einmal auf sie zugehen, doch er rührte sich nicht von der Stelle. »Lass uns später darüber sprechen. In Ruhe.«
»Brauchst du Zeit, um dir eine plausible Lüge auszudenken? Darauf werde ich nicht hereinfallen, wie ich auch nicht länger auf deine Freundlichkeit hereinfalle!«
Sein Blick zuckte zwischen ihr und der Tür hin und her. Dann schüttelte er den Kopf. »Du wartest hier!«, sagte er entschieden.
Die Tür fiel mit einem Laut der Endgültigkeit hinter ihm zu. Als könnte jetzt nichts mehr so sein, wie es einmal gewesen war. Catherine starrte auf das raue Holz und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen. Wie konnte ich nur so dumm sein ihm zu vertrauen! Sie wusste nicht, was er vorhatte. Ganz sicher jedoch wusste sie, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht in Ordnung. Ich hoffe, ich kann so lange warten , hatte er zu Sutherland gesagt. Warten. Worauf? Womit? Was, wenn –? Der Gedanke wollte sich nicht fassen lassen.
Sie wanderte unruhig umher. Wenn Daeron wirklich vorhatte sich mit Sutherland zu verbünden, würde er nicht zurückkehren, um ihr alles zu erklären, sondern um sich einer Mitwisserin zu entledigen. Aber warum hatte er es nicht gleich getan?
Sie musste mit Farrell sprechen. Sofort! Hastig holte sie ihre Kappe und stürmte aus dem Gemach. Mit eiligen Schritten lief sie den Gang entlang. Sie mied belebte Flure und nahm einen Weg, den selbst die Dienerschaft nur selten benutzte. Überall an den Wänden hingen Gebinde aus Stechginster und erfüllten die Luft mit ihrem intensiven lieblichen Aroma.
Catherine folgte einem schmalen fensterlosen Gang. In unregelmäßigen Abständen waren Fackeln entzündet worden und verwandelten die Gebinde in lebende Kreaturen, die ihre dürren Finger nach ihr reckten. In einiger Entfernung wanderte eine Silhouette im Dämmerlicht. Daeron! Erschrocken hielt Catherine mitten im Schritt inne. Er bewegte sich von ihr fort, den Gang entlang. Was hat er hier zu suchen?
Sie drückte sich an die Wand und wartete, bis er um eine Ecke bog. Dann folgte sie ihm. Sein Vorsprung war bereits so groß, dass sie fürchtete ihn aus den Augen zu verlieren. Dennoch wagte sie nicht, weiter aufzuschließen, da er sich immer wieder umsah.
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