Vampyr
fühlte sich ihre Haut nicht länger kalt und leblos an. Die Wärme seines Blutes floss jetzt darunter. Er trug sie zum Bett, breitete sorgsam die Decke über sie und strich ihr sanft über die Stirn. Selbst im schwachen Schein des Kaminfeuers war deutlich zu erkennen, dass die Blässe in ihren Zügen einem rosigen Schimmer gewichen war.
»Dich sterben zu lassen wäre mir unerträglich«, sagte er leise. »Ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen.« Catherine starrte ins Nichts. Daeron nickte. Wie konnte er erwarten, sie würde ihm vergeben, wenn sie noch nicht einmal das Ausmaß seines Handelns kannte. Ich kenne es ja selbst nicht. Ein letztes Mal streiften seine Fingerspitzen über ihre Wange, dann richtete er sich auf. »Ich bin nebenan, wenn du mich brauchst.« Er wandte sich ab und ging zur Tür.
»Daeron.«
Ein leises Wort, das ihn innehalten ließ. Aus Furcht vor dem, was er in ihren Augen finden würde, wagte Daeron kaum, sich zu ihr umzudrehen. Abscheu. Ekel. Womöglich Hass. Als er sich schließlich doch umwandte, sah er nichts dergleichen. Alles, was er in ihrem Blick fand, waren Furcht und Einsamkeit.
»Bitte lass mich jetzt nicht allein«, sagte sie heiser.
»Catherine, ich –«
Sie schüttelte den Kopf. »Du musst mir nichts erklären.«
Er wollte sich in den Sessel setzten, da reckte sie ihm ihre Hand entgegen. Ein wenig zögernd ergriff er ihre Finger und ließ zu, dass sie ihn näher heranzog. Es gab so vieles, was er ihr sagen wollte. Dinge, die zwischen ihnen noch immer unausgesprochen waren. Wie kann ich nach allem, was sie durchgemacht hat, daran denken?
Er versuchte, sich zurückzunehmen und seine eigenen Gefühle zu verdrängen, um ihr der Freund zu sein, den sie jetzt brauchte. Als er zu ihr ins Bett stieg und sie in seine Arme schloss, tat er es, um ihr Trost und Nähe zu geben.
Catherine lag still neben ihm, den Kopf an seine Brust gelehnt. Der Geruch von Erde hing in ihrem Haar und strömte ihm in die Nase. Lange Zeit waren ihre regelmäßigen Atemzüge die einzigen Geräusche im Raum, lediglich vom Knistern des Feuers im Kamin unterbrochen. Daeron dachte schon, sie sei eingeschlafen, als ihre Stimme plötzlich die Stille durchbrach.
»Warum hast du nie mit mir gesprochen?«, flüsterte sie. »Ich meine, damals, als du versucht hast …«
Daeron lächelte. Ausgerechnet sie nahm jene Unterhaltung wieder auf, die sie nie zu Ende geführt hatten. »Ich wusste nicht wie. Ich konnte mit Pferden und Schwertern umgehen. Mit dir … das war etwas anderes. Das erforderte mehr Mut. Und den hatte ich damals nicht.«
»Und heute? Was ist heute?«, fragte sie und hob den Kopf um ihn anzusehen.
Er zog sie noch enger an sich. »Ich liebe dich, Catherine. Das habe ich immer getan.« Seine Lippen nahmen die ihren in Besitz und forderten ein, was er sich seit so langer Zeit ersehnt hatte. Catherine vergrub ihre Finger in seinem Haar, gab dem Drängen seiner Zunge nach und öffnete die Lippen. Sie erwiderte seinen Kuss, erst zärtlich, dann immer leidenschaftlicher, bis Daeron sich von ihrem Mund löste. Seine Lippen strichen über ihren Hals, schmeckten salzigen Schweiß und eine ihr eigene, verführerische Süße. Er spürte ihren heißen Atem auf seiner Haut, die Berührung ihres Körpers, der sich gegen den seinen presste. Ihre Brüste, der sanfte Schwung ihrer Hüften. Daeron unterdrückte ein Stöhnen. Seine Hand wollte weiterwandern, Catherine aus ihren Kleidern befreien, stattdessen suchte er ihren Blick. Ihre Augen waren dunkel vor Verlangen, doch dahinter sah er noch mehr: Furcht, Verzweiflung und Erschöpfung.
»Ruh dich aus, Catherine«, sagte er ohne sie freizugeben.
Sie murmelte einen Protest. Ihre Finger schoben sich unter sein Hemd und strichen fordernd über seine Brust und seine Hüfte. Die Intensität, mit der sie seinen Körper erkundete, machte es ihm schwer, ihr zu widerstehen. Doch bald wurden ihre Berührungen sanfter, bis ihre Hand schließlich still lag.
14
Kalt spiegelte sich der Schein der Laterne in den Fensterscheiben der Großen Halle wider. Dahinter lauerte die Finsternis, drängte gegen die Scheibe, als verlange sie Einlass. Daerons Augen streiften über die lange Tafel in der Mitte des Raumes. Festlich gedeckt für die abendliche Feier schimmerte sie im Glanz des edelsten Porzellans und Kristalls. Dreiarmige Kerzenleuchter, umgeben von Gestecken aus getrocknetem Stechginster, waren über die Länge der Tafel verteilt. Dazwischen war ausreichend Platz
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