Vampyr
gelassen worden, damit die Platten voller Köstlichkeiten aufgetragen werden konnten, die eigens für das heutige Festmahl zubereitet worden waren. Der Tag der Ushana. Heute würde es geschehen. Das werde ich nicht zulassen.
Nachdem Catherine in seinen Armen eingeschlafen war, hatte Daeron gehofft, sie würde ein wenig Ruhe finden. Doch nicht einmal der Schlaf hatte es vermocht, die Qual aus ihren Zügen zu vertreiben. Lange Zeit hatte er still neben ihr gelegen und sich damit begnügt, sie zu betrachten. Schließlich hatte er es nicht länger ausgehalten. Entschlossen, sie von den Schrecken zu befreien, die sie wie ein dunkler Schleier umgaben, hatte er seinen Waffengürtel gepackt und das Schlafzimmer verlassen.
Noch bevor sie erwachte, wollte er wieder bei ihr sein. Aber zuerst brauchte er Waffen. Er hatte daran gedacht, in die Waffenkammer zu gehen. Doch dort würde er nicht finden, wonach er suchte. Er brauchte keinen Stahl und auch nicht das Blei einer Pistolenkugel, sondern etwas, womit er der Kreatur, die einmal Roderick Bayne gewesen war, ein Ende bereiten konnte.
Daeron schaute zu den beiden Breitschwertern, die sich über dem Kamin an der Wand kreuzten. Darunter hing ein Dolch. Das Licht der Laterne brach sich im kalten Silber der Klingen und hüllte sie ein, als wären sie von einer Aura aus Eis umgeben. Er hatte die kostbaren Stücke immer bewundert. Viel zu wertvoll und ungeeignet für einen ernsthaften Kampf waren sie ihm zugleich stets unnütz erschienen. Bis heute. Silber und Weihwasser. Damit konnte er Bayne besiegen. Vater Ninians Weihwasser trug er noch immer bei sich. Jetzt war es Zeit für das Silber.
Daeron stellte seine Lampe am Ende der Tafel ab. Der liebliche Geruch des Stechginsters stieg ihm in die Nase und verlor sich erst, als er vom Tisch wegging und vor den Kamin trat. Er reckte den Arm nach dem Silberdolch und nahm ihn aus seiner Halterung. Mit grimmiger Zufriedenheit schaute er auf die Klinge. Er wollte gerade nach einem der Schwerter greifen, da hörte er, wie hinter ihm die Tür geöffnet wurde.
Martáinn! Froh, ihn nicht extra aufsuchen zu müssen, um ihn über die Geschehnisse ins Bild zu setzen, wandte sich Daeron um. »Gut, dass du hier –« Der Anblick von Hauptmann Farrell ließ ihn verstummen. Seine Augen wanderten über die vertrauten Züge des Hauptmanns, suchten nach etwas, das ihm hätte verraten können, dass sich jemand anderer als Farrell selbst hinter diesem Gesicht verbarg. Doch er fand nichts. Die Illusion war perfekt.
»Was macht Ihr hier, Hauptmann?«
»Ich war hungrig. Als ich auf dem Gang vorbeikam, sah ich einen Lichtschimmer und wollte nachsehen.« Schwang da ein süffisanter Unterton in Farrells Stimme mit? Ein Tonfall, den der Krieger niemals angeschlagen hätte, auch wenn es eindeutig seine Stimme war. »Habt Ihr Catherine Bayne gefunden?«
»Das habe ich.« Daerons Finger krampften sich um den Dolch. Alles in ihm schrie danach, sich auf Roderick zu stürzen. Doch er musste sich zurückhalten, ihn in Sicherheit wiegen und warten, bis er nahe genug heran war. Erst dann durfte er zuschlagen.
»Geht es ihr gut?« Roderick stand noch immer an der Tür.
Komm her! »Sie ist stark.«
Bayne nickte und machte Anstalten zu gehen. Dann richtete sich sein Blick auf die Waffe in Daerons Hand. »Gibt es Schwierigkeiten?«
Daeron schaute auf den Dolch. War das der Weg, Bayne näher zu locken? »Seit meinem ersten Tag hier habe ich diese kunstvollen Waffen stets bewundert. Von Zeit zu Zeit komme ich her, um sie zu bestaunen.« Jetzt sah er auf. »Etwas scheint mit der Halterung nicht zu stimmen. Es will mir einfach nicht gelingen, die Klinge wieder an ihren Platz zu bringen. Da Ihr schon hier seid, könnt Ihr mir rasch zur Hand gehen.« Gerne hätte er Hauptmann hinzugefügt, doch das vertraute Wort wollte ihm nicht über die Lippen kommen.
Als Roderick den Tisch umrundete, konnte Daeron den Impuls nicht mehr unterdrücken, seine Finger um das Heft der Waffe zu schließen. Augenblicklich hielt Roderick inne. Für einen Moment glaubte Daeron so etwas wie Überraschung in seinen Zügen zu entdecken. Ein leiser Anflug von Verwunderung, der kurz aufflackerte und sofort wieder von jener starren Gleichmut überlagert wurde, die dem Hauptmann zu eigen war.
»Ihr wisst es also«, sagte Roderick trocken. Es war eine Feststellung. Keine Frage. Er deutete auf die Klinge in Daerons Hand. »Glaubt Ihr, das würde Euch etwas nutzen?«
»Sagt Ihr es mir«, entgegnete
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