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Vanessa, die Unerschrockene

Vanessa, die Unerschrockene

Titel: Vanessa, die Unerschrockene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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deshalb konnte mein Vater wahrlich von Glück reden, dass er nicht der erste Mensch war, den ich dort traf. Nein. Es war Oma Schrecklich und die war nichts anderes als der verlängerte Dreizack des Teufels. Das heißt, wenn ihr euch damit einverstanden erklärt, dass ich Leon und seine Kumpanen als Teufel und den Bolzplatz ab sofort als meine persönliche Hölle bezeichne. Oma Schrecklich, auf jeden Fall, gab mir da Recht.
    Dabei hatte sie unsere spätmorgendliche Auseinandersetzung längst schon vergessen und sich den wahrhaft wichtigen Dingen des Lebens zugewandt. Kostümiert mit einer Gummischürze als Rüstung zum Schutz ihres rosa Kostüms, als Helm ein Kopftuch über dem pastellfarbenen Hut und einer Gartenschere als Schwert in ihren Händen, hatte sie dem Unkraut im Garten den Krieg erklärt. Feindselig stand sie auf der Terrasse und schon ihr Erscheinungsbild reichte aus, dass sich jeder Löwenzahn von alleine verkrümelte. Sie musste sich noch nicht einmal bücken. Nur ich schaffte es, ihr nicht aus dem Weg zu gehen und rannte natürlich direkt in Oma Schrecklich hinein.

    „Ogottogott, wie siehst du denn aus!“, schnatterte sie wie eine erschrockene Ente. „Ogottogott und bei allen Mächten des Himmels! Kindchen, du kommst ja direkt aus der Hölle. Komm, ich drück dich an meine Brust!“, schnatterte sie und breitete ihre Arme aus, als seien sie Engelsflügel. Ich nahm das Angebot schluchzend an. Doch das war ein Irrtum. Oma Schrecklich war kein Engel. Sie war eine uralte, rosa Ente mit Kopftuch und Gummischürze, die überhaupt nicht verstand, was mit mir los war. „Ogottogott, Kindchen. Hab ich es dir nicht gesagt? Man sitzt nicht zwischen den Stühlen“, schnatterte sie. „Hoffentlich hast du das jetzt kapiert. Ogottogott! Auf jeden Fall werden wir dieses scheußliche Trikot und diese schrecklichen Schuhe gleich morgen in die Altkleidersammlung geben.“
    Nein! Das war zu viel. Ich bekam keine Luft mehr. Plötzlich sah ich nur noch Rosa um mich herum. Überall. Selbst ich begann schon, mich zu verfärben. Nein! Das wollte ich nicht! Ich war Vanessa, die Unerschrockene. Ich wollte Fußball spielen, deshalb riss ich mich los, rannte in mein Zimmer, knallte die Tür hinter mir zu und setzte mich wie ein indischer Fakir auf die Matratze. Ja, und so blieb ich sitzen und starrte die Wand an, bis mein Vater nach Hause kam.
    Draußen war es längst dunkel geworden. Mein Vater kam in mein Zimmer und setzte sich neben mich.
    „Hey! Ich weiß alles“, sagte er. „Willi hat mich angerufen. Er meint, du hast dich ziemlich tapfer geschlagen.“
    „Ach, ja?“, trotzte ich nur.
    „Ja, und das soll ich dir sagen. Das Dribbling, das er abpfeifen musste, ist  fantastisch gewesen. Besser als das von Leon, und der ist der Slalomdribbler.“
    „Pah, Leon!“ Von dem wollte ich aber auch gar nichts mehr wissen. Dann spürte ich die Träne, die sich in mein Auge verirrte, und wischte sie ärgerlich weg. „Ich geh da nie wieder hin, hörst du?! Ist dir das klar?“
    Mein Vater schaute mich einfach nur an.
    „Und ich will wieder nach Hamburg zurück!“ Meine Stimme zitterte jetzt schon ein bisschen. „Dieses Haus hier ist nicht mein Traum. Weißt du, es ist Mamas Traum.“ Ich versuchte noch einmal, mir die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Ich konnte nicht mehr, fiel meinem Vater in die Arme und schluchzte los. „Warum sind wir denn hier? Papa, warum muss ich ihren Traum leben? Papa, ich hab doch auch einen Traum.“
    „Ja, den du aber gerade aufgeben willst“, erwiderte mein Vater und mir blieb vor Schreck das Herz stehen. War mein Vater jetzt nicht mehr mein Vater, sondern mein Feind? Verflixt, ich wollte doch nur nach Hamburg, um Fußball zu spielen. Dort wurde ich akzeptiert und geachtet. Mein Gott, was war daran falsch?
    „Was meinst du?“, fragte mein Vater. „Wenn wir jetzt auf der Stelle nach Hamburg fahren, könntest du dann vergessen, was heute passiert ist?“
    Ich blitzte ihn an. Natürlich könnte ich das nicht. Das würde ich nie mehr vergessen. Aber deshalb wollte ich ja nach Hamburg zurück. „Verflixt, was hat mein Vater nur vor?“, fragte ich mich und dann fiel es mir ein. Er wollte in München bleiben, und ich war ihm völlig egal. Aber so leicht ließ ich mich nicht austricksen. „Also, dass das mal klar ist!“, sagte ich und setzte mich aufrecht und entschlossen vor ihn hin. „Entweder fahren wir nach Hamburg zurück, oder ich spiele nie wieder Fußball!“
    Mein Vater senkte

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