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Vanessa, die Unerschrockene

Vanessa, die Unerschrockene

Titel: Vanessa, die Unerschrockene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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zu suchen hat.
    „Ogottogott, Kindchen! Aus welchen Löchern sind die denn gekrochen?“, flüsterte Oma Schrecklich mir zu und ich konnte sie gerade noch bremsen. „Pssst, Oma, sei nicht so streng. Die kennen dich nicht, und die sind echt schüchtern.“

    „Ja, aber, ogottogott! Was
machen wir jetzt?“, fragte sie ratlos.
    „Was schon?“, antwortete ich. „Zuerst gibt’s den Kuchen und dann kämpfen wir.“„Kämpfen?“
    „Ja, kämpfen, Oma, so wie du gegen Muhammad Ali“, erklärte ich ihr und zog sie dabei in die Küche, um den Kuchen zu holen.
    „Muhammad wer?“ Meine Oma verstand kein Wort.
    „Muhammad Ali. Cassius Clay. Verflixt, du wolltest doch mal Schwergewichtsboxer werden.“
    „Ja, aber da war ich doch noch so klein“, druckste Oma Schrecklich herum. „Und ich wusste noch nicht, was sich für ein Mädchen gehört.“
    „Dann versuch dich bitte genau daran zu erinnern!“, flehte ich jetzt. „Bitte. Ich brauch deine Hilfe. Du bist heute hier außer mir die einzige Frau.“
    „Erinnern an was?“, stammelte Oma Schrecklich verwirrt.
    „An das, was sich für ein Mädchen überhaupt nicht gehört!“, sagte ich absolut ungeduldig, drückte ihr eine der beiden schwarzen Fußball-Geburtstagstorten in die Hand, nahm die andere und kehrte mit ihr zusammen zu meinen düsteren Gästen zurück.
    Die staunten nicht schlecht, als sie die Torten in Form schwarzer Fußbälle sahen. Und sie schienen so siegessicher zu sein, dass sie sie ratzekahl aufaßen. Allein Raban, der Held, verdrückte fünf Stücke, und mit jedem Stück fiel auch ein Stück der finsteren Stimmung von ihm ab. Er steckte die anderen an, machte Witze, erzählte Oma Schrecklich sogar von den Unbesiegbaren Siegern , und am Ende hatte ich fast den Eindruck, dass das doch ein Geburtstagsfest war.
    Dann erklärte mein Vater die Regeln. Zwei gegen zwei würden wir spielen und das in sechs Teams und zwei Gruppen.
In den zwei Gruppen würden die drei Mannschaften zweimal gegeneinander antreten. Danach stünden die Halbfinalbegegnungen an. In ihnen spielten der erste der einen Gruppe gegen den zweiten der anderen und umgekehrt. Die Sieger aus diesen Spielen würden sich im Finale begegnen.
    „Gut. Das hab ich kapiert“, sagte Leon ganz trocken. „Aber wer spielt mit ihr?“ Damit meinte er mich. „Außer der Oma da gibt es hier keine andere Frau, und die denk ich, ist nicht nur zu alt, sondern, schätze ich, auch viel zu pink.“
    „Einen Moment mal! Was meinst du damit?“, grummelte Oma Schrecklich und ballte drohend die Fäuste. Doch mein Vater kam ihr zuvor. „Ihr seid doch elf, habe ich Recht? Mhm. Und damit seid ihr einer zu viel. Ja, und der eine, hab ich gedacht, spielt mit Vanessa.“
    „Ja, aber wer ist der eine zu viel?“, fragte Leon und richtete sich ungläubig an seine Mannschaft. „Gibt es etwa einen von euch, der sich freiwillig meldet?“
    Fabi hob langsam die Hand, doch Leon riss sie ihm sofort wieder runter.

    „Nein, du spielst mit mir!“, zischte er wütend, denn er wusste genau, dass Fabi, der schon etwas anders war als die andern, mich auch etwas anders ansah. „Marlon spielt mit dem Mädchen!“, bestimmte er kurzerhand und gab mir damit den Wilden Kerl an die Seite, der mich noch weniger mochte als er selbst.
    „Ja, und dann hab ich noch etwas anderes für Ihre Tochter“, sagte er, als wäre mein Name nicht mehr Vanessa, sondern der, den man auf keine Fall aussprechen darf. „Wir haben ihr alle zusammen ein Geburtstagsgeschenk gekauft, und das würde ich ihr gerne jetzt geben.“
    Mit diesen Worten zog er ein rosa Paket aus seinem schwarzen Rucksack hervor und überreichte es mir. „Das hier haben wir dir gekauft“, sagte er absolut ernst, „damit du weißt, wer du bist.“
    Ich nickte, denn ich konnte nichts sagen. Ich hatte vor lauter Vorahnung einen Frosch ihm Hals, der so groß war wie ein Bernhardiner.
    Trotzdem öffnete ich das Paket.
    Ich zog die rosa Schleife auf, schlug das rosa Geschenkpapier zurück und fand einen rosa Schuhkarton vor. „Du willst wirklich, dass ich ihn öffne?“, fragte ich Leon.
    „Ja“, nickte der. „Es sei denn, du machst dir vor Angst die Hosen nass.“
    Das saß. Verflixt! Wer austeilt, muss auch einstecken können.
    Trotzdem hatte ich Angst, und diese Angst war berechtigt. Ich hob den Deckel vom Schuhkarton ab, und was ich darunter sah, traf mich mitten ins Herz. Es war die größte Gemeinheit, die man mir je angetan hatte, und selbst Oma Schrecklich

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