Vanessa, die Unerschrockene
einem Mädchen zu messen, he? Ich meine so richtig, ohne Tricks und ganz fair.
Nun, falls ihr das seid, dann kommt bitte zu meinem Geburtstagsfest. Dort seid ihr herzlichst willkommen.
Am nächsten Sonntag, dem letzten Ferientag, veranstalte ich ab 15 Uhr ein Fußballturnier in unserem Garten im „Hexenhaus“ in der Waldfriedhofstr. Nr. 7.
Aber falls ich Recht haben sollte und ihr euch bereits jetzt vor Angst die Hosen nass macht, dann tut besser das, was ich von euch erwarte. Nehmt die Briefe, zerstückelt sie und werft sie ins Feuer!
Wir sehen uns spätestens beim Sportunterricht in der Schule.
Bis dann, liebe Grüße,
Vanessa
Die Stille, die jetzt auf Camelot herrschte, war absolut trügerisch. In Wirklichkeit war es ganz laut. Ja, unerträglich laut war es, nur halt auf einer Frequenz, die man nicht hören konnte. Noch konnten die Wilden Kerle sie nicht hören. Doch spüren, das konnten sie sie. Ja, tausend Fledermäuse sandten ihre Schreie hinaus in die Nacht. Schon bebte der Boden und ließ Camelot zittern. Ja, und die Luft war so elektrisiert, dass die Funken der Wut von einem Wilden Kerl zum anderen sprangen. Sie brauchten gar nichts zu sagen. Jeder wusste Bescheid. Und dann brach der ganze Lärm wie ein tosender Sturm über sie her, als Leon verkündete: „Das wird sie büßen. Das verspreche ich euch!“
Die Schwarzen Reiter
Am nächsten Morgen kam der Möbelwagen aus Hamburg und brachte mir endlich mein bestes Stück: mein schwarzes Pakka-Fahrrad mit Vollfederung und dem extra dicken Hinterradreifen. Ich vergaß alles um mich herum, und zum Entsetzen von Oma Schrecklich, die ernsthaft darauf gehofft hatte, mit mir von Frau zu Frau darüber zu reden, wie man die Kellerregale am praktischsten sortiert, fuhr ich auf und davon.
Ich fuhr ohne nachzudenken. Ich schaute weder nach rechts noch nach links. Ich hielt einfach nur den Kopf in den Wind und gab Gas. Mir ging es gut, ja, und deshalb sah ich sie nicht, die Vorboten der Gefahr, die an jeder Straßenkreuzung bereits auf mich warteten. Schwarz waren sie und schwarze Kapuzen verhüllten ihre Gesichter. Ich bemerkte sie erst, als drei von ihnen hinter mir waren. Als erstes spürte ich eine seltsame Kälte. Dann hörte ich das Sirren ihrer Mountainbike-Reifen auf dem Asphalt. Ich schaute mich um und jetzt sah ich die Schwarzen Kapuzen, darunter die schwarzen Wilde-Kerle -Schilder auf ihren Lenkern und dann gab ich Gas. Ja, ich fuhr so schnell ich konnte. Ich versuchte sie abzuhängen, doch sie klebten wie Schatten an mir. Die einzige Chance, die mir blieb, war sofort nach Hause zu fahren. „Die nächste Querstraße links und dann wieder links“, dachte ich nur. So musste es gehen. Ich kannte mich in der neuen Umgebung ja noch gar nicht aus. Doch an der Straßenmündung wartete schon der vierte Verfolger auf mich und geradeaus vor mir die Nummer Fünf. Mir blieb nur die Straße nach rechts. Wohin sie führte, wusste ich nicht. Trotzdem raste ich in sie hinein. „Die nächste rechts“, dachte ich nur, „und dann ab nach Hause.“
Doch das blieb ein Traum. Aus der nächsten und übernächsten und auch aus der Seitenstraße danach schossen nur weitere „Schwarze Reiter“ hervor und jagten mich durch die unbekannten Straßen hindurch in den Wald, das Isarsteilufer hinab und direkt in den „Bombentrichter“ hinein. Der war ein wildes Mountainbike-Sprungschanzengelände, und hier stießen die letzten der elf „Schwarzen Reiter“ dazu. Sie umkreisten mich wie Indianer oder ein Schwarm hungriger Haie, und egal wie viel ich mich traute, welche halsbrecherischen Sprünge ich wagte, ich konnte ihnen nicht mehr entkommen. Immer wieder tauchte einer der schwarzen Kapuzen auf seinem Mountainbike vor mir auf und schließlich half mir auch mein einziger Vorteil, mein extra breiter Hinterradreifen, nicht mehr. Ich verlor den Halt auf dem rutschigen Boden und stürzte die Böschung hinab.
Sofort sprang ich auf, aber mein Fahrrad hatte sich unter einem umgestürzten Baumstamm verklemmt. Ich zog und zerrte an ihm herum, doch ich bekam es nicht frei. Verflixt, ich war viel zu panisch und dann hatten sie mich auch schon auf allen Seiten umstellt.
Dort standen sie und schlugen ihre Kapuzen zurück.
„Ich fress einen Besen! Die hat ’n Pakka!“, rief Raban.
„Ja, und hast du den Hinterradreifen gesehen?“, fügte Marlon hinzu. „Verflixt! Mit dem rutschst du selbst auf Eis nicht mehr aus.“
Doch Leon hob seinen Arm und befahl allen zu schweigen.
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