Vanilla High (German Edition)
besonders großer Bau, vermutlich eher ein Prototyp, der in Zukunft ein paar Superreiche abfertigen könnte. Alles in allem schätze ich das Areal auf knapp zweitausend Quadratmeter, also deutlich kleiner als der Park meines Bruders, aber hier müssen sehr teure Apparate aufgebaut sein. Ich bin beeindruckt von den hohen Wolkenkratzern der Stadt, von den umliegenden Rocky Mountains, die so ganz anders erscheinen als die Bergwelt meiner Heimatinsel. Morgen werde ich mich mit Elisabeth treffen, mit dem Zug nach Seattle fahren. Ich werde noch mehr von der für mich exotischen Landschaft bestaunen können. Vor fünfzig Jahren wäre sie noch viel exotischer gewesen, mit viel Schnee auf den Gipfeln. In Vancouver schneit es praktisch nicht mehr. Ich habe schon mit Elisabeth telefoniert. Sie hat sich freigenommen, ein Frei von ihren Verpflichtungen. Sie will mir die Stadt zeigen, ausgedehnt mit mir spazieren gehen, wie sie sagte. Ich solle mir am besten in Seattle ein Auto mieten und damit nach Vancouver zurückfahren. „Auch ich freue mich sehr, dich zu sehen“, hat sie gesagt. Ihre Stimme klang so angenehm. Danach werde ich dann drei Tage arbeiten. Ich habe mich mit de Grey verabredet. Er hat sich begeistert gezeigt, mit jemandem von der Insel sprechen zu können, von der Insel, von der die lebensverlängernde Technologie kommt, die nach seiner Ansicht die ganze Welt beglücken soll. Schon in drei Tagen will er mir das Methusalem Life Center zeigen, der Tag, an dem ich konspirativ tätig sein könnte. Er sagte mir, dass er am liebsten jetzt schon das Life Center beziehen würde. Am dritten Arbeitstag könnte ich mit Zuckerberg zusammentreffen. Ich bin gespannt auf seine Visionen. Was hat der Milliardär vor? Dann stände mir noch ein freier Tag zur Verfügung. Ich würde versuchen, mich nochmals mit Elisabeth zu treffen. Morgen treffe ich mich mit der Frau, die eine Liebe meines Lebens hätte werden können. Natürlich habe ich das Lexal genommen, gestern und heute am späten Abend auch. Ich hatte das Gefühl, dass ich kein Auge zutun könnte. Etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung. Der Tag, stressiger denn je, will nicht enden, dabei seh ich mir nur Hollywoodmüll an. Ich wusste, ich würde so nicht schlafen können. Ich nahm dann das Lexal und mir ging es besser, fand auch etwas Schlaf. Mir ist das egal, dass ich von Alkohol und THC abhängig bin. Auch heute Abend werde ich Lexal einnehmen. Vielleicht sollte ich es auch tagsüber nehmen. Ich will bei Elisabeth einen halbwegs passablen Eindruck hinterlassen. Ich bin recht nervös. Was werden diese Tage mir bringen? Ich kenne nicht ihren Plan. Ich weiß nicht, was sie für mich noch empfindet. Was werde ich in ihr auslösen? Ich jedenfalls habe nur Alina Magdalena im Nacken. Ich werde Elisabeth schnell mit den gleichen Augen betrachten, wie ich sie das letzte Mal angesehen habe. Auf den Fotos hat sie sich kaum verändert. Es ist ja auch keine Ewigkeit her, dass wir uns geküsst haben. Wie wird es sein? Sicherlich wird sie sehr nett zu mir sein, aber sie wird mich ganz klar auf Abstand halten; sie ist doch verheiratet. Ich fühle mich schon ein wenig als Exot in dieser Stadt. Die ostasiatische Fraktion ist prächtig vertreten, und ich betrete eines der vielen chinesischen Restaurants, die es schon seit mindestens hundert Jahren in dieser Stadt geben muss. Herbe, auf den Wein verzichten zu müssen, stattdessen bestelle ich mir ein Chop Sue und ein Gingerale. Es gibt natürlich Hispanos und Schwarze in dieser Stadt, aber ich sehe noch einen Kick anders aus, fast so dunkel wie ein waschechter Schwarzer, aber doch anders. Bisher habe ich kaum Menschen gesehen, die indischen Ursprungs sind. Inder sind überall hin auf der Welt verschlagen worden. Man findet sie auf den Fidschi-Inseln, selbstverständlich in Großbritannien, in Südafrika, in Malaysia und Singapur, in Guyana, auf Mauritius und natürlich La Reunion. Hier sind sie eher selten.
Ich treffe mich mit Elisabeth mittags am vereinbarten Platz, am Ufer eines der größeren Seen von Seattle. Die Stadt scheint von Wasser umschlossen zu sein. Nach meiner Ankunft habe ich mir am Bahnhof einen Leihwagen besorgt. Der Elektrowagen sollte bei voller Batterie locker die Strecke zurück nach Vancouver schaffen. Im Innenbereich der Stadt ist es verboten, den Wagen selbst zu steuern. Sie hat mich zur Begrüßung umarmt und vorgeschlagen, in eins der Restaurants an der Promenade zu gehen. „Wie dunkel du bist, Arul!“, hat
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