Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch der Lkw und Baumaschinen geworden.
Um die Regimentspleite abzuwenden, die ganz sicher mit weiteren Kontrollen und Verschärfungen einhergegangen wäre, ging Shetland bei der Abrechnung allmählich dazu über, die Betriebsstunden und Kilometerleistungen dem Kraftstoffverbrauch anzupassen.
Jeder Kraftfahrer wurde über die einzuhaltenden Normen informiert, nach denen er den Kilometerstand ins Fahrtenbuch eintrug.
Zeitgleich gab ein Tachometer nach dem andern in den Fahrzeugen seinen Geist auf, bei der schwierigen Ersatzteilsituation konnte es Monate dauern, bis die Reparatur möglich würde.
Er traf sich hierbei natürlich gut, daß ein defekter Tachometer mit Kilometerzähler nicht zu den Teilen gehörte, die die Gefechtsbereitschaft beeinträchtigten.
Hatte Shetland zu Anfang die Betriebsstunden der Radlader und Greifbagger deren Verbrauch angepaßt, so bemerkte er schon bald, daß er damit rasch an unüberschreitbare Grenzen stieß. Schließlich hatte der Tag nur 24 Stunden.
Die Kilometerleistung dem Dieselkraftstoffverbrauch anzupassen, bot mehr Spielraum, konnte er doch davon ausgehen, daß niemand bei etwaigen Kontrollen sich die Mühe machen würde, über die Errechnung der damit verbundenen Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrzeuge Rückschlüsse auf die getürkten Zahlen zu ziehen.
Die allgemeine Dieselknappheit hinderte die Offiziere der TIBK jedoch nicht, während der Übungswoche am Elbestrand mehrere Kanister voll zu vergeuden, um Kokskörbe zum Brennen zu bringen, da man allenthalben ziemlich fror.
„Es soll nicht an Diesel fehlen!“ kommentierte Kutscher das Geschehen.
Wilfried mochte Kutscher auch wegen Sätzen wie diesen.
Kutscher gehörte zu jenen Menschen, die vom Leben benachteiligt waren, seiner nicht sehr hohen Abstraktionsfähigkeit wegen, mehr aber noch seines Aussehens wegen.
Ein Schicksalsschlag nach dem anderen hatten ihn zwar tieftraurig, aber nicht verbittert werden lassen. Dankbar jedem, der sich mit ihm abgab und ihn dabei nicht foppte, entdeckte Wilfried gerade in diesem Punkt Ähnlichkeiten mit sich selbst. Kutschers gutes Herz war Wilfried mehr wert als alle Gerissenheit eines Shetland.
„Im Gefecht würde Kutscher jeden Befehl dreimal nachfragen, um ihn auch wirklich zu verstehen, was den Vorgesetzten schließlich entnervt aufgeben lassen und den vom Staate DDR definierten Feind am Leben ließe,“ sinnierte Wilfried.
„Langweilige Redlichkeit - sie zeichnete William Shakespeares Hamlet ebenso aus wie Stanislaw Lems Piloten Pirx. Hoffentlich tun sie Kutscher nichts - sie, die smarten Bösewichte dieser Welt!“
Mit einem Mal war er um Kutscher besorgt.
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An Lichtmeß Zweiundachtzig war´s,
wir kamen ab von rechter Spur,
itzo wir folgten Kriegsgott Mars,
und ins Verderben ging die Fuhr´.
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Wie hätte man auch sollen ahnen,
daß „Kalter Krieger“ Blume war
bereit, Kredite anzubahnen,
zu helfen in dem schweren Jahr.
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Im kleinen Flugzeug stürzt´ er ab,
ermordet von ´nem Stasi-Mann.
Die Ostsee ward sein nasses Grab,
(in Bayern kam Max Streibl dran).
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Für die einen war es das Ende des Traumes vom besseren Bayern, für die anderen eine große Erleichterung, daß der „Kalte Krieger“ Johann Blume in den Fluten der Ostsee sein nasses Grab gefunden hatte an jenem zweiten Februar des Jahres 1982.
In der DDR nahm man diese Meldung kaum zur Kenntnis, bis zum IBR-12 drang sie überhaupt nicht durch, denn dort hatte man andere Sorgen.
Shetlands Tricksereien mit dem Kraftstoffverbrauch waren sehr rasch einer strikten Rationierung gewichen, die dem Regiment im Monat einen festen Hektoliterbetrag zuwies, der sich an den durchschnittlichen Anforderungen der vergangenen 12 Monate orientierte, abzüglich 30 %.
Das allgemeine Gejammer war noch nicht verstummt, da brachen neue Hiobsbotschaften herein: Die Nahrungsmenge pro Armeeangehörigen wurde ebenfalls um 30 % gekürzt, was schlicht Hunger für so manchen von ihnen bedeutete.
In den Nachrichten der „Aktuellen Kamera“ häuften sich die Meldungen zu „zeitweiligen volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch soeben gestartete gemeinsame Initiativen der Werktätigen und Massenorganisationen rasch überwunden würden“.
„Der Staat ist pleite!“ ging von Munde zu Munde.
„Das mußte ja so kommen. Im Kapitalismus gehen einzelne Unternehmen pleite, im Sozialismus der ganze Staat.“
„Das nimmt kein gutes Ende,“ überlegte Wilfried.
Trotzdem war
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