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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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Pflichtveranstaltung.
    Wilfried saß im Vorführungssaal des Gastronomie - und Kulturkomplexes des IBR-12 und versuchte, mittels der Darbietung auf der Bühne die Pforte in einen Tagtraum zu finden, irgendeinen kleinen Traum, eine Flucht hinaus aus der allgegenwärtigen Tristesse.
    Es gelang ihm nicht.
    Dann kam ihm der Gedanke der Hohlform.
    Die äußere Form einer Kabarettaufführung, sie wurde strikt gewahrt: Entree, Sketch, Song, Moritat, Sketch, Song, Finale, Applaus honoris causa.
    Hingucker war eine Frau nur im Hemd am Bügelbrett gewesen, die beim Bügeln der Hose die Moritat vom Armeeangehörigen sang, der mit seiner Meinung beim Vorgesetzten hinterm Berg hielt. Nach allem, was Wilfried bereits erlebt hatte, konnte er das in keiner Weise komisch finden.
    Schlimmer noch war der sich anschließende Sketch, der von einem Armeeangehörigen handelte, der beim Warten auf den Bus einen ziemlich dummen Zivilisten über die Vorzüge der Geheimhaltung bei der Aufstellung der Fußballspieler für Länderspiele belehrte.
    Diese Erkenntnisse habe er allein der Armee zu verdanken, dieser doch so unentbehrlichen Schule für das Leben. Der Zivilist blickte ihn derweil ehrfürchtig an.
    Wilfried, dank Stanislaw Lem erprobt in der Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen, manchmal sogar eine Metaebene zu erklimmen, versuchte krampfhaft, den tieferen Sinn des Sketches zu ergründen.
    Es gelang ihm nicht.
    „Könnte vielleicht die konsequente Anwendung des Gesetzes der gegensätzlichen Einheit des Umschlagens in die höhere Negation zum Erkenntnisgewinn führen?“ überlegte er.
    Mitnichten.
    Bis zur hohen Kunst der Lemschen Tautologien war der Weg weit, steil und steinig.
    Immerhin befanden sich er und Stanislaw Lem im selben Universum, das hatte etwas Tröstliches. Möglicherweise sogar auf demselben Planeten. Die Wahrscheinlichkeit dafür aber war ziemlich gering.
    „Was wäre, wenn der Depp auf der Bühne den verbotensten aller verbotenen Witze darböte:
    ,Wer ist der größte Chirurg der Welt? Ewald Hocker - er hat aus dem Herzen Europas den Arsch der Welt gemacht!´,“ überlegte Wilfried. „Wer aus dem Publikum getraute sich dann, zu lachen? Wie lange würde es dauern, bis der Witzeerzähler festgenommen worden wäre? Und jene, die laut gelacht hatten?“
    Wilfried begann zu schaudern. Wahrlich, dies war weder die Zeit noch der Ort zum Lachen.
    -
    12. Die Klein-Affäre
    Klein hatte es gewagt.
    Er hatte getan, was sich alle anderen Genossen nicht getraut hatten - sich einzig damit tröstend, erlittene Schmach dereinst selbst weitergeben zu können.
    Er hatte getan, was selbst Wilfried nach dem Edelsprutzschlag nie in den Sinn gekommen wäre, da er wie die vielen anderen die unwiderruflichen Konsequenzen für seine Position in der Kompanie gefürchtet hätte, in der Gruppe, in der er zwangsweise noch viele Monate ausharren mußte.
    Klein hatte sich unter Einhaltung des Dienstweges über die Schikanen von Eichholz beschwert.
    Da Eichholz lediglich Gefreiter im dritten Diensthalbjahr und somit nicht der unmittelbare Vorgesetzte von Klein war, hatte diese Beschwerde ihren Weg nach oben finden können.
    Egon Blauw hatte noch versucht, die Affäre auf der Ebene der Kompanieführung zu halten, doch es war bereits zu spät. Er besaß nicht die Statur und den Einfluß eines Major Klar, der dazu imstande gewesen wäre. Seine Zugführer und Sellering, der Politruk, ihm in Dienststellung zwar untergeben, nicht aber im Dienstgrad, verspürten wenig Neigung zu einer Miniverschwörung, die allenfalls Egon Blauw nützen könnte, nicht aber ihnen selbst.
    Sellering ließ beim Rapport keinen Zweifel daran, daß er die Beschwerde an den Stab weiterzureichen gedenke.
    Lediglich der Spieß hatte sich auf die Seite Egon Blauws geschlagen, konnte nachempfinden, welchem Druck der KC ausgesetzt war, der bis vor kurzem noch Fähnrich wie er selbst gewesen war, konnte nachempfinden, wie die Überflieger - Offiziere mit Hochschulabschluß Tag für Tag Blauw ihre Überlegenheit spüren ließen.

    Wenige Tage später erschien der Militärstaatsanwalt und nahm die Ermittlungen auf.
    Aus den Protokollen, die Wilfried mit der Maschine abzuschreiben hatte, ging hervor, daß Eichholz den Genossen Klein mehrfach geschlagen und geohrfeigt hatte, vorzugsweise wenn er sich mit ihm allein in Waschraum oder Stube befand.
    Nur einmal gab es einen Zeugen dafür, der, von Klein benannt, nur sehr widerwillig aussagte, da er sich vor Eichholz fürchtete, wie viele in

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