Variationen zu Emily
Anschein nach wieder mal nicht die Absicht hatte, dem Steuerzahler die Kosten für einen neue n Gefängnisgast aufzubürden, mussten sie selbst aktiv werden. Die Vorschläge gingen von Totschlagen über Fertigmachen und Zusammenhauen bis hin zu subtilen Verstümmelungen. Einer oder zwei waren der Meinung, ein paar Schläge auf die Nuss und die Auslieferung an die Polizei wären ausreichend. Doch sie wurden niedergebrüllt. Also würde wahrscheinlich jeder nach seinem Temperament handeln, da sie es mehrheitlich abgelehnt hatten, für dieses Vorhaben einen Anführer zu wählen, der steuernd hätte eingreifen können. Jacko war es egal. Er wollte mit seinem Gummiknüppel gesehen werden, das war wichtig. Solidarität! Wenn es sich ergab, würde er wohl auch einmal zuschlagen. Das war er seinem toten Kollegen schuldig. Aber an einem Lynchmord wollte er sich nicht beteiligen.
„Hier Ewald. Objekt passiert Einmündung Arthur-Selig-Straße. Ende.“ Ewald kannte offensichtlich das militärische Alphabet nicht. Aber immer noch auf dem gleichen Pfad in Richtung Stadtmitte, der Junge. Was er wohl vorhatte? Und wer hatte ihm die Abreibung verpasst, von der Charley zwei gesprochen hatte? Von ihnen war es keiner gewesen, das war klar. Aber es gab vermutlich noch mehr schlechtgelaunte Leute in diesem Ort, die ihrem Ärger über einen kleinen Ganoven handgreiflich Ausdruck zu verleihen wussten.
Jacko bezog seinen neuen Posten an der Haltestelle der Linie neun, die um diese Zeit nicht mehr fuhr. Von hier aus waren es nur ein paar hundert Meter bis zum Bahnhofsplatz, der in diesem Städtchen die zentrale Drehscheibe bildete, die wie eine Zentrifuge die Verkehrsteilnehmer in alle Richtungen weiterschleuderte. Toutes directions. Ihm fiel eine Nachttour nach Frankreich ein, die er noch als Angestellter hinter sich gebracht hatte. Der Gast, ein gutgekleideter Araber mit Goldzähnen und einem teuer aussehenden ledernen Köfferchen, das mit einer Metallschelle an seinem Handgelenk befestigt war, hatte es überaus eilig gehabt, nach Nantes zu kommen. Jacko handelte über Funk mit einem gutwilligen Kollegen einen Fahrzeugtausch aus, da der ein neueres, leistungsstärkeres Modell fuhr. Als er schließlich schwitzend und erschöpft im Zentrum von Nantes anhielt, lächelte der Araber und sagte: „You a dam fast driver. Could not sleep a minute. But good, very good.“ Die Scheine, die er ihm hinhielt, hatten den Gegenwert eines gebrauchten, nicht zu alten Taxis. So machte er sich mit diesem Vehikel selbständig. Das war inzwischen sieben Jahre her.
Der Lautsprecher krachte. Dann eine atemlose Stimme: „Hier Delta Zero. Musste Fußgängerzone Alter Markt umfahren. Hätte ihn fast verloren. Vorsicht, Leute! Scheint aufmerksam zu werden. Richtung gleichbleibend. Ende.“ Der alte Georg. Er fuhr mit über siebzig Jahren immer noch Taxi, um seiner schwachsinnigen Tochter ein wenig Geld hinterlassen zu können. Jacko begann warm zu werden. Wenn der Junge durch die Fußgängerzone gegangen war, musste er genau hier vorüberkommen. Und plötzlich erschien er im Seitenspiegel auf der Beifahrerseite. Wie immer in Schwarz, auf der Wange ein großes Pflaster.
Er sah zwar blass und verquollen aus, schlenderte aber großspurig wie der eher kleine Frank Sinatra den Fußweg entlang. Georg hatte recht gehabt. Er witterte ständig in alle Richtungen wie ein Hirsch, dem ein Hauch vom Geruch der noch in der Ferne jagenden Hunde in die Nase gedrungen war. Weiter hinten in der Straße erschien ein Scheinwerferpaar. Das war sicher Bravo Delta, der dem Objekt folgte. Kurz dahinter sollte Delta Zero sein. Jetzt wurde es eng für das Opfer. Es gab nur noch eine Abzweigung, bevor die Hauptstraße in den Platz mündete. Und die war mit Sicherheit von zwei Kollegen blockiert. Jacko griff zum Funkgerät.
„Komm, lass uns hier noch etwas trinken.“ Sabrina wies auf das große Fenster eines Bistros, hinter dem reges Treiben herrschte. Die städtische Jugend hatte sich hier eingefunden, um mit Dart, Flipper und Tischfußball die Zeit bis zum unerbittlich näherrückenden Schulbeginn am nächsten Morgen einigermaßen erträglich zu gestalten. Leo machte eine abweisende Geste. „Ich weiß, die sind dir zu jung. Aber man kann sich hier an das Fenster setzen und nach draußen auf den Platz schauen. Dann bemerkt man die Pubertät kaum.“ Sie zog ihn in das Lokal, in dem Baß und Schlagzeug aus schrankgroßen Lautsprechern Löcher in die Gedärme hämmerten, während
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