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Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Saarmann
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damals auf einem Schulbazar kennen, dessen Erlös armen Kindern in Tansania oder Lesotho zugute kommen sollte. Ja, du lachst. Aber diese sozialen Veranstaltungen waren genau so gut geeignet wie Tanzunterricht, private Parties oder Sport, um ein süßes Mädchen kennenzulernen.
    Wir waren eine Weile zusammen. Eine ziemlich große Jugendliebe. Sie trennte sich von mir, weil die Lebensumstände und die Erwachsenen nicht geneigt sind, pubertäre Jugendlieben zu unterstützen. Es tat ziemlich weh, als es auseinanderging. In diesem Alter löst man sich vom Elternhaus, will groß und stark und männl ich sein. Aber irgend jemand muss diese Rolle wenigstens scheinbar ernst nehmen. Sonst fühlt man sich plötzlich furchtbar schwach, klein, einsam und der riesigen Welt nicht gewachsen. Sie war mein dankbares Publikum gewesen. Bei ihr hatte ich mich sicher gefühlt.
    Nach der Trennung verloren wir uns aus den Augen. Ich studierte, lernte andere Frauen kennen und veränderte mich. Sie machte eine Ausbildung, heiratete, bekam Kinder und wurde Hausfrau. Veränderte sich natürlich auch. Aber beide nahmen wir eine überwiegend positive Erinnerung von unserer Liebe mit in unser Leben. Als wir uns dann nach Jahren zufällig wiederbegegneten, wurden wir beide rot. Es ist immer peinlich, jemanden zu treffen, der so viel von einem weiß. Vor allem, wenn man sich nicht sicher ist, wie man zueinander steht. Aber bei mir wirkte nach der anfänglichen Verlegenheit immer noch der alte Zauber. Und wie er wirkte! Ich weiß bis heute nicht, ob es wirklich an dieser Frau lag oder ob einfach eine Sehnsucht in mir wohnte, die bei dieser Begegnung wach wurde.
    Wir gingen Kaffee trinken, erzählten uns ein wenig aus unserem Leben, und ich verliebte mich furchtbar. Sie war immer noch sehr hübsch, dazu offen und interessiert. Allerdings schien sie mir gegenüber dem fröhlichen, ein wenig koketten Mädchen von damals ein wenig verdüstert, als hätte man eine glitzernde, weißschäumende Welle mit Blei übergossen. Die Welle war noch da, aber sie hatte keine Kraft mehr, sich zu brechen und ihr Farbenspiel freizusetzen. Ich fühlte mich trotzdem sehr wohl mit ihr und wollte natürlich mehr.
    Wann können wir uns wiedersehen, fragte ich sie. Sie sah auf die Uhr, verzog ihr Gesicht und sagte: Bald. Ich weiß nicht. Vielleicht nächste Woche mal. Kannst du bitte zahlen, ich muss los. Ruf mich an. Wir gaben uns die Hand, und ich musste mich zwingen, sie wieder loszulassen. Aber sie war offensichtlich schon nicht mehr bei mir. Ein paar Tage später rief ich sie an. Sie freute sich, konnte sich aber erst eine Woche später für einen Abend freimachen. Wir gingen Essen und anschließend in meine Wohnung. Ich hatte die üblichen Vorbereitungen getroffen. Aufgeräumt, gelüftet, Kerzen aufgestellt. Da sie in ihrer Jugend eine passionierte Teetrinkerin gewesen war, hatte ich mal wieder einen Earl Grey gekauft. Als sie die Küche betrat, schnupperte sie und fragte: Trinkst du etwa immer noch dieses ekelhaft aromatisierte Zeug? Ich warf die Packung in den Müll, und wir verbrachten eine lange Nacht bei Wein, unzähligen Zigaretten und Gesprächen. Wieder ging es vorwiegend um die Vergangenheit. Teilnahmslos berichtete sie von ihrer Ehe, die ihr Leben trotz der Kinder eher ausleerte als anfüllte.
    Es war wie in vielen Ehen, in denen die Gewohnheit und die Verpflichtungen eine Fülle vortäuschten, die allenfalls am Anfang vorhanden gewesen ist. Je länger sie erzählte, desto mächtiger wurde meine Hoffnung. Nein, es war noch nicht zu Ende. E s gibt diese Liebe noch, man muss der schwelenden Glut nur Nahrung bieten. So dachte ich und erzählte meinerseits von gescheiterten Beziehungen, die an einem Mangel an gegenseitigem Verstehen zugrunde gegangen waren. Ich erinnerte sie an früher, als wir zusammen manchmal einfach wunschlos gewesen waren. Romantik bei Kerzenschein, eben. Und wen wirst du mal heiraten, fragte sie lächelnd. Dich, antwortete ich. Ich kann noch eine Weile warten. Sie lachte kurz auf. Dann schwieg sie und starrte vor sich hin. Wenig später ging sie.
    Kaum war sie weg, überkam mich eine schwer zu ertragende Depression. Keine Ahnung, warum. Vielleicht, weil sie meine erste Frau gewesen war, die erste, die echte, reine, trunkene Liebe. Eine seelenverdüsternde Sehnsucht entstand, die mich krank machte, krank vor Verlangen. Nicht Verlangen nur nach ihrem Körper, sondern nach ihrer Gegenwart, nach ihrem Gesicht, ihrer Stimme. Nach ihrer Nähe.

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