Varus - Historischer Roman
ihrem Fang prahlten, begriff er schnell. Jetzt saß er hier, ließ den Kopf hängen und übte sich in Gleichmut, versuchte zu dösen. Aus der Ferne vernahm er ein tiefes Dröhnen, unterbrochen von den scharfen Klängen der Tuben und Hörner. Er horchte auf. Stärke und Häufigkeit der Signale deuteten auf eine geordnete Feldschlacht hin. Ein bitteres Lächeln grub sich in seine Mundwinkel. Vielleicht wendete sich das Glück, vielleicht lachte den Römern wieder die Gunst der Unsterblichen. Unwillkürlich ballte er die Fäuste, schloss die Augen und rief lautlos Iupiter an, Iupiter Stator, der den Soldaten Standhaftigkeit verlieh, Iupiter Versor, der den Feind zurückwarf, Iupiter Victor, der den Sieg brachte. Er versprach Kränze, Lämmer, Kälber und Altäre für einen glücklichen Ausgang.
Nach den Bittgebeten verlegte er sich auf all jene kindlichen Andachten, die ihn seine Amme gelehrt hatte, wärmte sich an Kindheitserinnerungen, sooft ein kalter Luftzug ihn frösteln ließ. Bisweilen rieb er sich das Gesicht mit den Händen ab, starrte wie blind vor sich hin, um die Barbaren, die ihn bewachten, nicht anzusehen. Der ferne Lärm ebbte nicht ab, was ihn beunruhigte. Kleine Trupps, manchmal Reiter, manchmal Fußvolk, trabten durch den Wald.
Caldus fuhr hoch, als ein paar Barbaren im Gleichschritt näher kamen, zwischen ihnen stolperten halb bewusstlose, keuchende Gefangene. Erschrocken erkannte er mehrere ritterliche Tribune und einige Hauptleute. Die Blicke der Gefangenen flackerten, wenn sie ihn streiften. An den Armen der Barbaren bemerkte er dunkle Flecken und Schlieren von fremdem Blut, und als die Männer scherzten und lachten, spürte er, wie mit jedem Atemzug lähmende Kälte sich in ihm ausbreitete. Seine Bitten waren vergebens gewesen.
Ein Tritt gegen sein Bein weckte ihn aus der Erstarrung. Neben ihm stand ein grimmig dreinschauender Barbar, der ihm wortlos befahl aufzustehen. Mühsam rappelte Caldus sich auf, das Herz pochte hart, aber kraftlos in der Brust, während weitere Männer ihn umringten, lästerten, lachten. Er verstand zwar nicht, was sie sagten, aber dass es Siegerspott war, daran konnte kein Zweifel bestehen. Einer löste die Kette vom Baum, und Caldus erkannte, dass ihn nichts als ein Pflock, der zwischen den Wurzeln in den Boden gerammt war, festgehalten hatte.
Sie nahmen ihn in ihre Mitte, unverständlich schwatzende Kerle, ungeschlacht und wie berauscht von ihrem Sieg. Er war wohl der ranghöchste Gefangene, man würde ihn vermutlich für die Verhandlungen heranziehen. Einer der Kerle befühlte ungeniert den Stoff seines Waffenrocks und grinste nur frech über Caldus’ bösen Blick. Ein anderer fuhr ihm von hinten mit schmierigen Fingern durchs Haar.
Als sie den Wald verließen, sah Caldus zu seinem Erstaunen ein Heerlager auf der Kuppe des Berges. Bald darauf kreuzten sie einen Doppelgraben, traten unter einem Torweg hindurch auf eine Lagerstraße, flankiert von dichten Zeltreihen. Verwirrt schaute Caldus sich um, verlangsamte seine Schritte, bis einer der Kerle ihn schubste. Sogar Zelte für einen Offiziersstab waren im Herzen des Lagers errichtet, denen sie sich näherten. In der Mitte befand sich ein großes, hausartiges Offizierszelt, vor dem mehrere Standarten in den Boden gepflanzt waren, bewacht von bulligen Kriegern in voller Rüstung mit Lanzen und fleckigen, schartigen Rundschilden. Caldus erschrak, als er die goldenen Adler sah, die mit gen Himmel gespreizten Schwingen die größten Standarten krönten und unter denen ausgefranste, schmutzige Fahnen aus rotem Tuch hingen. Ein Stoß ließ ihn straucheln, zwei
Hände packten ihn bei den Oberarmen und schleppten ihn weiter, sodass er wehrlos in das Zelt stolperte, wo sie ihn wie ein Ding abstellten und einen Schritt zurücktraten.
Leises Plätschern lenkte Caldus’ Blick zur Seite. Hinter einem beiseitegezogenen Vorhang sah er einen halb nackten Mann, der seinen kräftigen Oberkörper wusch. Er tauchte den Kopf mit dem kurzen, rotblonden Haar in das Bronzebecken, prustete und griff nach dem Tuch, das neben dem Becken an einer Stange des halbhohen Dreifußes hing, ehe er sich aufrichtete. Caldus kämpfte mit dem Druck auf seiner Brust und ballte die Fäuste, als der Mann sich aufrichtete und von dem Becken zurücktrat.
Zorn flammte in ihm auf, er warf sich vorwärts, wurde zurückgerissen von seinen Bewachern, die ihm beide Arme hinter dem Rücken verdrehten, dass er nicht mehr aufrecht stehen konnte. Keuchend kämpfte
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