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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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nur still, aber kein Gift.«
    Sie hatten ihm also etwas eingeflößt, damit er ruhig wurde, wie man es mit Opfertieren machte, die durch eine große Volksmenge zum Altar geführt wurden. Er schnaubte verächtlich. Es fehlte noch, dass man ihn und die anderen mit Kränzen und Bändern schmückte.
    Sertorius hatte teilnahmslos in seinen Fesseln gependelt und ließ ebenso teilnahmslos die Behandlung über sich ergehen,
während Caldus den stinkenden Wächter von sich geschoben hatte und mit den Fingerspitzen Augen und Schläfen rieb. Langsam setzte sich ihr Zug in Bewegung, Krieger und halbwüchsige Jungen begleiteten die Gefangenen. Man führte sie auf einen breiten, ausgetretenen Weg, und Caldus zählte seine Schritte. Das Frösteln ließ nach, er fühlte sich leichter, wenn auch ein wenig benebelt. Das war nicht mehr bloße Erschöpfung, sondern die Wirkung dessen, was sie in den Honig gemischt hatten. Mohnsaft, argwöhnte er. Fehlten also noch die Kränze und Bänder. Er spürte das dümmliche Grinsen, konnte aber nichts dagegen tun.
    Sie bogen in einen schmalen Karrenweg mit frischen, tief eingeschnittenen Räderspuren ein, blieben stehen. Vor ihnen ertönten brüchige Stimmen alter Männer in einem misstönenden Gesang. Erst nach einer Weile ging es weiter, tiefer in den Wald. Gelegentlich erreichte ihn wie aus weiter Ferne die Erkenntnis, dass man sie zu Tode führte, doch ihm war, als geschähe dies einem anderen, als gäbe es nichts, das ihn anrühren könnte. Nicht einmal die kalten Finger der Dämmernebel, die zwischen den Bäumen schwebten und dünner wurden, je weiter sie bergauf gingen.
    Das Laub war still, stattdessen hörte man das Rauschen einer Menschenmenge, der sie sich näherten. Schließlich erreichten sie eine weite Lichtung, wo der Lärm vieler unruhiger Männer sie empfing, das gedämpfte Rasseln von Rüstungen und das Waffengeklapper eines aufgestellten Heeres. Sie standen im Halbkreis, füllten beinahe eine Hälfte der Lichtung, die ein Eichenwald und eine übermannshohe Felswand begrenzten. Als ihr Zug zum Stehen gekommen war, schoben die Bewacher Caldus nach vorn, neben Sertorius, der unter halb geschlossenen Lidern ins Leere starrte.
    Zwei Männer lösten sich aus den Reihen der Krieger, angetan
mit weißen Umhängen, gefolgt von einem eilfertigen jungen Burschen. Caldus, vor dessen Augen alles ein wenig verschwamm, spähte angestrengt in die Gesichter der beiden, bis ihm im Augenblick des Erkennens der Atem stockte. Er hatte es geahnt, eigentlich gewusst, aber Arminius’ hartem Blick in diesem Zustand standhalten zu müssen, drohte seine verbliebenen Kräfte zu übersteigen. Der andere, Segimerus, musterte ihn nicht weniger kühl; er hinkte im Gegensatz zu Arminius, der sich mit federnden Schritten näherte. Sie verneigten sich vor den grau gewandeten Greisen, dann nahm Arminius Caldus und Sertorius am Arm und führte sie einige Schritte vorwärts, rief seinen Männern ein paar Sätze zu, die sie mit Freudengebrüll und lautem Waffengeklapper beantworteten. Er hielt keine Rede, nur eine kurze, von Beifallsstürmen unterbrochene Ansprache, von der Caldus kein Wort verstand. Für ihn war es lediglich ein Schwall kehliger Laute, die unter den Kriegern einen wahren Aufruhr auslösten, in ihm aber nur die ferne Ahnung einer Bedrohung.
    Während die Krieger noch lärmten, wandte sich Arminius zu Caldus um. »Ich nehme an, du hast kein Wort verstanden.« Und ehe Caldus etwas erwidern konnte, fuhr Arminius fort: »Ich habe ihnen eröffnet, dass wir heute unser Gelöbnis erfüllen werden, bis zum letzten Tropfen Blut werden wir die Besiegten jener Macht zum Opfer darbringen, die uns diesen Sieg schenkte. Und als edelste Gaben sollen mit Sertorius einer der mutigsten Centurionen und mit dir ein Jüngling aus vornehmstem Geschlecht dienen.«
    Sein scharfer Blick bohrte sich in Caldus’ Augen, während dieser fieberhaft nachzudenken versuchte.
    »Der Mutigste und der Vornehmste also«, hörte Caldus sich lallen. »Und einen Vornehmeren als mich hast du nicht
aufzubieten?« Er zögerte. »Varus - den hast du nicht in deine Gewalt bekommen?«
    Arminius’ Gesicht verfinsterte sich, und seine Brauen bildeten einen einzigen, von einer senkrechten Falte durchschnittenen Strich aus rotblondem Haar. Eine bittere Lustigkeit sprudelte in Caldus’ Brust auf, er gluckste mehrmals, prustete dann, bis Arminius ihn roh am Arm schüttelte. Jemand rannte zu ihnen, in der Faust ein dunkles Etwas, bedeckt von grauem

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