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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Haar, in das er die Finger krallte. Caldus sah ein von Brandwunden entstelltes Gesicht, die Augen geschlossen, der Mund klaffte. Die Züge des Statthalters waren kaum noch zu erkennen.
    »Sein verfluchtes Haupt habe ich, und das wird mir ein gewaltiges Bündnis einbringen, dem ihr nichts mehr entgegenzusetzen habt. Alles Land diesseits des Alpengebirges wird uns gehören und aufgeteilt werden unter unseren Völkern. Und dann werden wir eure heilige Italia bestürmen und die Mauern eurer Stadt brechen wie dereinst die Gallier! Aber wir werden euch nicht nur all eurer Reichtümer berauben und eure Häuser und Mauern niederbrennen, sondern eure Kinder schlachten und eure Frauen. So wie wir jedem Einzelnen von euch die Haut abziehen und das Fleisch von den Knochen schneiden werden, ehe ihr sterben werdet. Und jeder Tropfen eures Blutes, den wir von Beginn dieser Schlacht an vergossen haben und noch vergießen werden, wird die Götter, die uns führen, noch mächtiger machen und uns noch stärker, bis selbst euer Name auf alle Zeit vertilgt ist, während unsere Namen leuchten werden wie die Sterne am Nachthimmel!«
    Schwer atmend stand Arminius vor Caldus, so hatten die eigenen Worte ihn mitgerissen, bis sich ein dünnes Lächeln in seine Mundwinkel grub. Er schnippte den Burschen, der
ihm und Segimerus gefolgt war, zu und wies auf die klirrende Ketten in dessen Händen, und ehe Caldus sich versah, waren er und der benommene Centurio Sertorius erneut in Eisen gelegt.
    »Und du, kleiner Tribun«, setzte Arminius leise nach, »wirst um den Tod betteln, und er wird wie eine Gnade zu dir kommen, wenn kein Tropfen Blut mehr in dir ist!«
     
    Die Barbaren machten wahr, was Arminius angedroht hatte. Unter den brüchigen Gesängen der Priester wurden die verbliebenen Gefangenen langsam zu Tode gebracht, während Nacht die Lichtung einhüllte und im schwachen Wind gespenstisches Fackellicht über den nass glänzenden, dunklen Felsbrocken leckte, auf den man die Opfer fesselte.
    Sertorius dämmerte teilnahmslos vor sich hin, doch weil der Mohnsaft seine Macht über Caldus’ Geist verloren hatte, wurde dieser zum hilflosen Zeugen, außerstande, Augen und Ohren zu verschließen. Zumindest die Jungen zeigten Anzeichen von Schrecken und Ekel, mieden seine Blicke, die auf der Suche nach einem Halt umherirrten, als ein Mann nach dem anderen einem unmenschlichen Tod zugeführt wurde. Die meisten sträubten sich, wehrten sich, und mit einem Mal erwiesen sich die derben Witze der Soldaten, der Spott gegenüber den Reitern, die nach dem Kampf sichelbeinig in eingenässten Hosen umherliefen, als bittere Wirklichkeit. Panische Angst gab die Männer der Schande preis, raubte ihnen ihre Würde und zuletzt gar ihre Menschlichkeit. Die den geschundenen Toten abgetrennten Köpfe präsentierten die Priester auf Stangen den jubelnden Kriegern.
    Hilflos richtete Caldus den Blick zum Himmel, auf das matte Funkeln einiger Sterne hoch über ihnen, und fragte sich stumm, ob irgendwo da oben Götter waren, die auf
diese Lichtung herabschauten. Ob wohlwollend oder voller Abscheu. Ob Geister des Waldes oder der Unterwelt dieses Treiben billigten oder darüber zürnten. Ob irgendeine Macht ihm in seiner letzten Stunde beistehen, ihn vor der Entehrung, die ihm grässlicher erschien als der Tod, schützen würde. Er konnte den Wilden nicht die Gewalt über seinen Körper nehmen, aber vielleicht die Macht über seinen Tod.
    Übelkeit würgte ihn, als wieder einer seiner Schicksalsgenossen davongeschleppt wurde, zorniges Fluchen zu einem verzweifelten Flehen wurde, das ein Knebel zu einem Gurgeln erstickte. Caldus starrte seine Fesseln an, scharfkantige Kettenglieder, die aufblitzten, als Licht auf sie fiel. Langsam rappelte er sich auf, hob den Kopf und bemerkte vorspringende Ränder an der Felswand, die jetzt in Mondlicht gebadet war. Wenn himmlische Mächte frühere gute Taten berücksichtigten, dann sollten sie die Mutter, die ihn geboren hatte und auf ihn wartete, trösten, und dem Vater trotz des bitteren Verlustes die Schande ersparen, dass sein Sohn sich hatte hinschlachten lassen.
    Caldus ballte die Fäuste und schlug sich auf die Stirn; wie die Klauen eines wilden Tieres gruben sich die Kettenglieder in die Haut, wieder und wieder. Warmes, klebriges Blut troff ihm über die Wimpern, in die Augen. Panischer Schrecken packte ihn. Das reichte nicht! Zuerst wichen die Umstehenden vor ihm zurück. Hilflos stand er mitten unter ihnen. Sah die scharfen

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