Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
deinem Hosenstall zu schaffen machte. Eigentlich sollte man Kunden mehr Respekt entgegenbringen.
Wie gewohnt lässt du dein wohlklingendes »Gestatten?« fallen, rückst dir die Krawatte zurecht und trittst in den dunklen Korridor der Villa. Das ist auch besser so. Sie soll sich keine falschen Hoffnungen machen. Es ist schließlich nichts passiert. Ihre großzügige Performance hatte lediglich zur Folge, dass die Exemplare der Neuen kritischen Überlegungen zu Gotik und Romanik rechtzeitig zur Eröffnung der Tagung ausgeliefert wurden.
Das warst du ihr schuldig.
Es ist nicht zu übersehen, dass dicke Luft herrscht.
Als Augusto dich erblickt, stellt er seinen Plastikbecher ab. An seinen Trippelschritten erkennst du, dass es nicht sein erster Whisky an diesem Tag ist. Walter lehnt, das Telefon am Ohr, an einem Stapel Kartons.
Abrechnungstag beim Großbuchhändler. Und wie immer liefern die beiden Schwuchteln ganz großes Theater.
»Sag ihm, dass sie alle Bücher zurückschicken sollen!«, ruft Augusto.
Walter hält die Hand auf den Hörer.
»Wo sollen wir denn hin damit?«
»Egal, wir suchen uns wen anders für den Vertrieb.«
»Das ist aber schon der zweite dieses Jahr.«
»Dann wird es höchste Zeit, eine Vertriebskooperation für unabhängige Qualitätsverlage zu gründen!«
»Großartige Idee. Wie viele Verlage von unserer Qualität gibt es denn in Italien?«
Augusto rauft sich dramatisch das graue Haar, Walter flüchtet sich in das kleine Büro.
»Gestern ruft mich der Großhändler an und fragt: ›Haben Sie nicht irgendwelche Titel im unteren Preissegment, Taschenbuchformat?‹ Und ich: ›Belletristik, Lyrik oder Sachbuch?‹ Er: ›Egal, ich muss einen Supermarkt beliefern. Fünfhundert Exemplare. Die haben morgen Eröffnung und brauchen etwas, um die Regale zu füllen. Aber die Bücher dürfen höchstens achtzehn Zentimeter hoch sein, sonst passen sie nicht rein.‹«
»Und was haben Sie gesagt?«
»Ich habe einfach aufgelegt.«
»Gut gemacht.«
»Was wird nur aus der Kultur in unserem armen Land?«
»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen«, tröstest du ihn. Und sprichst die Zauberformel: »Die Leute sind alle vom Fernsehen verblödet.«
»Genau. So etwas wie Big Brother hat uns gerade noch gefehlt! Haben Sie sich diesen Schwachsinn mal angeschaut? Lassen Sie Ihre Tochter so einen Mist sehen?«
»Im Traum nicht.«
»Sie sind ein intelligenter Vater. Wenn wir nur mehr davon hätten!«
Kaum hast du dich bedankt, hebt er zu einer Lobrede auf Launen der Obsession an, eine Anthologie, die von der Kritik gepriesen, von den einflussreichsten Literaturzeitschriften bejubelt, aber von Presse und Fernsehen ignoriert wurde, weil da nur noch einer das Sagen hat, dieser Staubsaugervertreter, dieser Medienmogul. Der richtige Moment, deinen Joker auszuspielen: »Der wird Italien noch ruinieren.«
»Nicht wahr? Freut mich, dass Sie das auch so sehen.«
Doch dann nimmst du Platz und lässt den Verschluss deiner Ledermappe aufschnappen. Walter kommt dazu, gereizt wie eine Wespe, und wirft das Telefon auf den Schreibtisch.
»Apropos, haben Sie schon einen Blick auf den Text geworfen, den ich Ihnen letztes Mal dagelassen habe?«
Walter beginnt, seine Pfeife auszuklopfen, Augusto kratzt sich hinter dem Ohr. Dann streicht er sich über den kahlen Schädel und lässt den Blick über ein Regal aus weißen Kubus-Elementen schweifen. An der roten Spiralbindung erkennt er das Manuskript und zieht es aus einem Stapel.
»Fesselnd, oder?«, hakst du nach.
Walter legt Pfeife und Tabak beiseite. Augusto nimmt das wie eine Papiermusterkollektion mit bunten Notizzetteln gespickte Manuskript und schlägt es seufzend auf.
»… der Körper der jungen Frau lag in einer unnatürlichen Haltung da, doch das hübsche, ruhige Gesicht schien zu schlafen«, deklamiert er. »Leider war es der kalte Schlaf des Todes.«
»Jetzt ich«, sagt Walter, schlägt eine andere markierte Seite auf und nimmt die Brille ab.
»… sogar der Rechtsmediziner, ein zynischer, kränklich wirkender kleiner Mann, schien bewegt von dem schamlosen Anblick des Todes. ›Wer auch immer einer solchen Schönheit so etwas angetan hat, ist den Strom nicht wert, den man braucht, um ihm das Gehirn zu frittieren‹, sagte er.«
»Richtig so. Und Straferlass für alle, die alten Schachteln den Bauch aufschlitzen!«, spottet Augusto und haut mit der Faust auf den Tisch. Walter hat schon die nächste Passage herausgesucht.
»Ein unangenehmer, hartnäckiger
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