Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
verschlissene Hose, eine Brille und einen grauen Bart. Ein Professor, würdest du sagen. Seine Hand liegt an Elisas Schulterblättern und seine Wange an ihrer Stirn, an ihren Locken. Der da klebt an deiner Frau. Der da . Ein alter Baron, der vielleicht sechs Stunden pro Woche arbeitet. Der Schweiß seiner Stirn an den Haaren deiner Frau. Sein Atem an den Ohrringen, die du Elisa zu eurem ersten Jahrestag geschenkt hast. Die Finger von dem da berühren den Ehering, den du ihr am Tag eurer Hochzeit an den Finger gesteckt hast.
Elisa setzt einen Fuß zwischen die Beine ihres Tanzpartners und macht eine blitzartige Bewegung, als wollte sie das Knie des Mannes aushebeln. Die beiden drehen sich gemeinsam, zum sanften Lamento ihrer Sohlen. Und dann sieht sie dich.
»Lass mich wenigstens andere Schuhe anziehen«, sagt Elisa. »Die gehen kaputt.«
Du gibst keine Antwort, lässt ihren Arm nicht los, lächelst Romina zu, die dich verwirrt ansieht. Die Scheißkommunistin, die vor Geld stinkt, ihre Komplizin.
»Es gibt ein Problem mit der Kleinen zu Hause«, erklärst du wohlerzogen.
Dann verabschiedest du dich höflich und schiebst Elisa an den kleinen Tischen vorbei.
»Lass los, du tust mir weh«, protestiert sie.
Ihr geht die Treppe hinunter, du sagst kein Wort, und wer euch sieht, verzichtet freiwillig darauf, sich mit mehr als einem Blick von deiner Frau zu verabschieden.
Als ihr am Arnoufer entlanggeht, beginnt sie zu reden. Ihre ersten Worte lauten: »Wo steht das Auto?«
Du antwortest nicht, das ist eine banale Frage. Sie stolpert, zittert vor Kälte und wiederholt, ihre Schuhe gingen kaputt. Sie hat noch nicht begriffen, was los ist.
Im Auto beschlagen sofort die Scheiben. Elisa wischt mit der Hand darüber, obwohl sie weiß, dass die Finger und die Wassertropfen Flecken hinterlassen. Und sie weiß auch, wie sehr du Flecken auf der Windschutzscheibe hasst. Aber du nimmst es schweigend hin. Du startest den Motor, fährst los und trittst derart wütend aufs Gaspedal, dass ein paar Straßenhändler erschrocken zur Seite springen.
Elisa fragt, warum du nicht die Schnellstraße nimmst. Auch das ist eine banale Frage. Als du nicht antwortest, redet sie einfach drauflos, um ihre Angst zu vertreiben, um das Schweigen zu füllen, das euch von eurem Zuhause trennt. Zu Hause sind deine Mutter und deine Tochter. Zu Hause kann nichts mehr passieren. Sie sagt, sie habe aus Zufall damit angefangen, Romina habe in Volpaia einen Tangolehrer engagiert. Erst habe sie gar nicht mitmachen wollen, aber der Unterricht sei so gut angekommen, dass sich ein Grüppchen Begeisterter gebildet habe, und der Maestro sage, sie sei talentiert. Es mache einfach Spaß, da sei doch nichts bei.
Du könntest sie jetzt nach diesem argentinischen Tangolehrer ausfragen, ob er jünger und attraktiver sei als der klapprige Mittfünfziger, der sie heute Abend in den Armen hielt, und auf welche Art er ihr Talent denn entdeckt habe. Aber nein. Du fährst weiter und schweigst.
Ihr fahrt eine gerade, unbeleuchtete Straße zwischen einem Kanal und dem Nichts entlang, über euch der erhöhte Abschnitt der Schnellstraße. Du biegst ab und bringst das Auto vor dem Schild eines Wohnmobilhändlers zum Stehen.
Du stellst den Motor ab. Deine Frau lehnt sich gegen das Fenster, sie ist blass.
»Ich habe nichts Schlimmes getan, Furio.«
»Und warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Keine Antwort. Du musst die Frage wiederholen. Du hasst es, Fragen zu wiederholen.
»Weil es nicht einfach ist, mit dir zu reden.«
»Rede nur. Ich hör zu.«
»Lass uns bitte nach Hause fahren.«
»Zieh die Schuhe aus«, befiehlst du und wunderst dich selbst, wie ruhig deine Stimme klingt. »Na los, wolltest du sie nicht ausziehen?«
Elisa gehorcht und will sie in ihre Wildledertasche stecken.
»Nein, nein, nein. Gib sie mir.«
»Was willst du damit machen?«
»Ich mache damit, was ich will. Die hast du von dem Geld gekauft, das ich dir gebe, ja?«
»Nein.«
»Ach nein? Wer hat sie dir denn dann geschenkt, etwa der Alte, mit dem du getanzt hast? Oder der argentinische Tangolehrer?«
Elisa will, dass du dich beruhigst, du reißt ihr die Schuhe aus der Hand und betrachtest sie aus der Nähe. Schwarz, runde Kappe, gut verarbeitet. Die Sohle scheint aus Samt, Absatz von sechs, sieben Zentimetern, satinierte Schnalle. Hübsch. Aber für dich hat deine Frau sie nie angezogen.
»Du hast Angst, dass sie kaputtgehen? Guck mal, was ich damit mache!«
Mit einem Ruck brichst du
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