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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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Nieselregen fiel. Ispettore Stefanacci klappte den Kragen seines verknitterten Trenchcoats hoch und zündete sich die Zigarre wieder an. Er musste nachdenken, und das tat er bei einem guten Kichererbsenfladen mit Grünkohl, Hähnchenleber mit feinen Kräutern und jungem Morellino, und zwar bei seinem Freund Franco, an der Ecke des Vicolo dei Pesti und der Piazza Martini.«
    »Mittwochs Ruhetag, um Reservierung wird gebeten«, fügt Augusto hinzu. »Lass gut sein, ich lese jetzt nur noch die Schlussszene im Grab.«
    »… und sie entsprang dem Heiligtum der Jahrhunderte, wie das Morgengrauen, die Erde, die Mutter, die einzige Frau, ewige Schöpferin des Kosmos und der Zeiten. Die nach fleischlicher Lust lechzenden Brüste sind von meinen Händen geformt, sie die Göttin im Rausch, ich der bebende Künstler …«
    »Wir haben es hier offenbar mit Kriminalliteratur zu tun. Wenn das kein Verbrechen gegen das Schamgefühl ist! Was das angeht, könnte man sogar von einem Massaker sprechen«, urteilt Walter.
    »Es beginnt als Chandler für Arme und endet wie Her mit den kleinen Etruskerinnen «, setzt Augusto nach und steht lachend auf, um unter erheblichem Kraftaufwand ein paar Bücher aus einem vollgepackten Regal zu ziehen. Im alten Rom sei Etruskerin gleichbedeutend mit Hure gewesen, klärt er uns auf. Irgendein griechischer Geschichtsschreiber habe behauptet, die Etruskerinnen seien stets betrunken gewesen und nackt durch die Gegend gelaufen, und bei Banketten hätten sie es vor den Augen ihrer Männer mit anderen getrieben.
    Unter anderen Umständen hättest du es amüsant gefunden, aus dem Munde eines alkoholisierten Schwulen solche Sätze zu hören. Da du aber Vertreter bist, zeigst du keine Regung und hoffst, dass der Vortrag nicht ewig dauert.
    »Kennen Sie das hier, Furio?« Augusto hat endlich die gesuchte Seite gefunden. Du antwortest, ohne zu zögern. Nachdem dieses verdammte Etruskergrab dich schon fast deinen Job gekostet hätte, kannst du heute mit deinem Wissen glänzen.
    »Richtig! Sehen Sie nur, wie zärtlich die Frau ihren Mann streichelt? Wie die beiden nebeneinanderliegen? Die Frauen der Etrusker durften an den Trinkgelagen teilnehmen, während die der Römer irgendwo bei den Dienerinnen im Hintergrund saßen. Die Römerinnen waren zu Hause eingesperrt und mussten Wolle spinnen, aber bei den Etruskern wurden die Namen mütterlicherseits an die Kinder weitergegeben.«
    »Für die Römer war das ungeheuerlich. Sie waren so schockiert, dass sie den Mythos in die Welt setzten, die Etruskerinnen seien allesamt Flittchen«, mischt Walter sich ein und erklärt, mit den Etruskern sei das letzte Matriarchat des Altertums untergegangen. Was auch immer das bedeuten mag, du pflichtest ihm unverzüglich und bedingungslos bei.
    »Dieser Sauro Bellopede ist ein verklemmter Heini, der sich daran aufgeilt, wie eine schöne Zombie-Etruskerin ihm einen bläst«, setzt Augusto just in dem Moment hinzu, als die frischgebackene Literaturwissenschaftlerin aus dem Nichts auftaucht, um dir einen Stapel Druckfahnen zu überreichen. Sie erstarrt auf der Türschwelle, als wollte sie verhindern, mit diesem Wort zusammenzustoßen. Du siehst kaum hin und lockerst deine Krawatte ein wenig. So wie Walter dich mustert, könntest du allerdings schwören, dass er über alles im Bilde ist. Schwule haben einen sechsten Sinn für gewisse Dinge.
    »Soll das heißen, Sie wollen es nicht veröffentlichen?«
    »Sie machen wohl Witze! Denken Sie doch nur an Fruttero und Lucentini!« Augustos eindringlicher Ton lässt dich befürchten, dass es sich um eine konkurrierende Druckerei handelt.
    »Fruttero und Lucentini sagen es ganz klar: In Lucca wird nie ein Raumschiff landen, und Marlowe wird auch nie geschmortes Wildschwein essen.«
    An diesem Punkt setzt Walter die Brille wieder auf und protestiert. Die beiden hätten ausgezeichnete Krimis geschrieben. Augusto gibt zu bedenken, dass es nur oberflächlich betrachtet Krimis seien, in Wirklichkeit handele es sich um anspruchsvolle Literatur. Die Autoren seien jedenfalls ernst zu nehmende Intellektuelle … Und dann zanken sich die beiden plötzlich wie die Rohrspatzen über den Namen der Rose . An den Titel kannst du dich wenigstens erinnern. Das war der Schinken, den die fleißige Teresa Crisci als Einzige aus der Klasse bis zum Ende durchgelesen hatte. Für ihren Aufsatz darüber, den die Lehrerin sogar vorlas, bekam sie die beste Note. So eine blöde Streberin. Bumsen würde man die im Leben

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