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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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beide Absätze ab und zerreißt die Riemchen.
    Du steigst aus dem Auto, beugst dich über das Gestrüpp an der Uferböschung und wirfst die Schuhe in den dunklen Kanal.
    Elisa drückt sich immer noch gegen das Fenster und schweigt. Du setzt dich wieder hinters Steuer, sie beginnt zu weinen.
    »Du heulst dich besser jetzt schon aus. Und wenn wir zu Hause sind, gehst du sofort zu Caterina hoch. Meine Mutter ist nicht blöd, die mischt sich nur wieder ein.«
    »Gut«, murmelt Elisa. Sie wischt sich mit dem Handrücken die Nase ab und zieht sich die Stiefel an. Als sie den Reißverschluss hochzieht, klemmt sie den Strumpf mit ein.
    Die spinnt wohl.
    Maria Carla, das ist der Name der frischgebackenen Literaturwissenschaftlerin. Auf ihre Initialen stößt du, als du hinter den Sitzen des Spiders deine Sachen einsammelst. Auf dem Frontispiz des Buches steht in ihrer abscheulichen Kleinmädchenschrift: »Versuch zu lernen, deine Lider offen und ehrlich aufzuschlagen, und mach aus den Teufelchen vertrauensvolle, unschuldige Engel, die keinen Argwohn und keinen Zweifel kennen, my Heathcliff, M. C.«
    Die ist doch total bescheuert, dir ein Buch mit Widmung ins Auto zu schmuggeln. Deine Frau ist schon ausgestiegen, aber sie hätte es auch zuerst finden und aufschlagen können. Und was hättest du dann gesagt?
    Es ist ein dickes Buch mit Kapitalband und rotem Lesezeichen. Ein kitschiger Einband in Altrosa, mit dem Streifenmotiv einer Keksdose und einem Gemälde mit braunen Hügeln und düsteren Wolken drauf. Emily Brontë, Sturmhöhe . Du überlegst, wie du es am besten wieder loswirst, dann lässt du es zusammen mit deinem Kalender und den Notizen eines mit Kundenbesuchen vollgestopften Arbeitstags in deine Tasche fallen. Elisa kramt nie in deinen Arbeitssachen rum. Weil sie weiß, dass du das nicht magst, aber vor allem, weil sie dir vertraut. Zum Glück.

13
    E in paar Tage später lädt Laura mich zu einem Aperitif ein. Eigentlich habe ich keinen Grund, mich noch einmal auf den Weg nach Livorno zu machen, abgesehen von den fünfzig Euro für meine Arbeit an ihrem Computer. So viel kostet ungefähr das Benzin für den Spider hin und zurück.
    Sie trägt ein figurbetontes violettes Blümchenkleid und weiße Sandalen. Ihr sitzt auf einer mit blauem Teppich ausgelegten Aluminiumplattform, ein Labyrinth aus schwimmenden Molen vor euch. Laura kommt oft hierher und sieht zu, wie die Schiffe den Hafen verlassen. Vor allem die Kreuzfahrtschiffe, aber auch die Fähren. Auf der einen sind Tweety und Sylvester abgebildet, eine bunte Mauer, die mir den Blick auf den Horizont verstellt. Zum Glück, denn das Meer sehe ich schon in meinen Träumen oft genug.
    »Mit dieser Fähre bin ich acht Monate lang gefahren. Nach fünf Jahren als Vertretung in Padua und Savona habe ich endlich eine Stelle in der Toskana bekommen. Auf der Insel Elba.«
    Bei dem Wort »Insel« befällt mich ein unkontrollierbarer Tick. Sofort erkundigt sie sich, was ich habe.
    »Nichts. Das muss hart gewesen sein auf der Insel.«
    »Allerdings. Das war das Jahr meines Zusammenbruchs.«
    An der Theke bestelle ich einen Prosecco für sie und für mich etwas Alkoholfreies. Mich an die Regeln zu halten, fällt mir nicht schwer. Ich nutze die Bestellung für einen Abstecher zur Toilette. Nicht zum Pinkeln, aber ich muss mich entscheiden, ob ich meine Medizin nehme oder nicht. Mein Arzt hat mir für jeden Abend fünf Tropfen verordnet.
    Ich nehme sie nicht, sondern gehe mit den beiden Gläsern und einem Schälchen Erdnüsse an unseren Tisch zurück. Die Fähre brüllt drei Mal. Sie ist vollgestopft mit Menschen wie ein riesiges Übergangsheim. Von hier sieht es aus, als würde sie sich nicht von der Stelle rühren, dabei hat sie sich längst von der Mole entfernt.
    Laura hebt das Glas, und ich tue es ihr gleich. Dann greife ich mit der Hand in die Erdnüsse, ohne den Löffel zu benutzen, und sie tut es mir gleich.
    »Am liebsten würde ich abhauen, ganz ehrlich«, seufzt sie und bindet sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.
    »Und wo willst du hin?«
    Solche Gedanken sind mir völlig fremd, ich wüsste gar nicht, was ich darauf antworten sollte. Lieber lasse ich mir von ihrem Zusammenbruch erzählen.
    »Meine Fähre ging morgens um sechs. Ich habe neun Stunden die Woche einem Autisten die Rotze von der Nase gewischt, und weitere neun habe ich mit einem zweiundneunzig Kilo schweren Psychopathen verbracht, der mich anspuckte, wenn er sich über mich ärgerte. Es hätte

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