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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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mich die Hälfte meines Gehalts gekostet, mir dort eine Wohnung zu mieten, also nahm ich jeden Nachmittag um vier die Fähre nach Hause. Von Montag bis Samstag. Der Feierabend reichte gerade so eben, um etwas zu essen, einen Heulkrampf zu kriegen und schlafen zu gehen. Falls du verstehst, was ich meine.«
    Ich sage, dass ich es sehr gut verstehe und dass ich jahrelang ähnlich zermürbende Arbeitszeiten hatte.
    »Bis Juni hatte ich achteinhalb Kilo abgenommen. Mein Zyklus war völlig im Arsch, meine Beziehung sowieso, und mein Magen war von einer Gastritis derart durchlöchert, dass ich nichts mehr machen konnte, kein Yoga, kein Tango …«
    »Du hast Tango getanzt?«
    »Drei Jahre lang habe ich in jeder freien Minute nichts anderes getan. Warum?«
    »Nur so.«
    »Hast du es auch mal probiert?«
    »Ich bitte dich!«
    »Warum denn nicht?«
    »Ich kann nicht tanzen.«
    Zum Abendessen gehen wir in eine Pizzeria, in der ein ehemaliger Schüler von ihr arbeitet, ein langer Lulatsch mit Lippenpiercing und einem Spinnennetz-Tattoo auf dem Bizeps. Als er Laura erkennt, kommt er hinter dem Tresen hervor und umarmt sie. Profe! Profe !, schreit er die ganze Zeit, und wenn er nicht aufpasst, zerbricht er sie noch vor lauter Zuneigung.
    Während der Junge uns eine ganz besondere Pizza zubereitet, schaut sie auf das Besteck und fragt ohne Umschweife: »Was würde deine Frau sagen, wenn sie jetzt hier reinkäme?«
    »Es gibt keine Frau.«
    Sie betrachtet meinen Ehering, und ich sage, ich sei nicht mehr verheiratet, den würde ich nur als Erinnerung tragen.
    »Das stimmt nicht.«
    Ich kriege Panik. Bestimmt ist sie dahintergekommen. Vielleicht weiß sie, dass ich nicht Flavio heiße, vielleicht ist sie viel cleverer, als ich denke.
    »Nein, den trägst du nur, weil du herausfinden willst, ob es trotzdem eine bei dir versucht. Du interessierst dich nur für Frauen, die dich sogar als verheirateten Mann noch wollen.«
    »Dann gehörst du also zu denen, die es auch bei einem Verheirateten versuchen?«
    »Nein, ich gehöre zu denen, die Typen wie dich verstehen.«
    Als wir bei ihr sind, bittet sie mich, Tisch und Sessel an die Wand zu schieben, rollt den Teppich auf und fummelt am CD-Player herum, ungeduldig wie jemand, der dringend auf Klo muss. Ich betrachte das Loch in der Wand, betaste die Rohre.
    »Wenn du willst, kümmere ich mich bei Gelegenheit drum.«
    »Handwerklich begabt bist du auch noch?«
    »Einigermaßen.«
    Sie kommt auf mich zu und sagt, dann sei ich ja wirklich eine gute Partie.
    »Das hat meine Frau auch mal gedacht.«
    »Es ist fast Mitternacht. Die Nachbarn rufen die Polizei«, versuche ich mich rauszureden.
    »Der Junkie von unten würde es nicht mal mitkriegen, wenn man seine Wohnung zerbombt. Und die Nigerianer haben keine Aufenthaltserlaubnis.«
    Ich weigere mich. Ich habe keine Lust, mir die Schuhe auszuziehen, und ich hasse es zu tanzen.
    »Zier dich nicht so«, sagt sie. »Und lass die Socken an, dann gleitest du besser.«
    Laura bückt sich, um sich die Schuhe zu schließen. Schwarze Schuhe aus mattem Leder, vorne rund. Das Riemchen hat eine goldene Schnalle. Ich darf dieser Frau nicht zuschauen, auf gar keinen Fall. Ich darf diese Geste nicht sehen, sonst könnte es sein, dass ich ihre provisorische Einrichtung kurz und klein schlage, mir ein Messer schnappe, ihr die Kehle aufschlitze und aus dem Fenster springe.
    Ich verdrücke mich ins Bad, bevor Laura etwas mitbekommt.
    »So leicht entwischst du mir nicht, da gibt es kein Fenster«, zieht sie mich auf, als ich die Tür abschließe.
    Ich setze mich auf den Toilettendeckel, drehe dem Spiegel den Rücken zu, atme tief ein und suche das Fläschchen mit den Tropfen in meiner Tasche. Diesmal schraube ich es auf. Drei Tropfen müssten reichen. Die Dosierung ist alles.
    »Schultern und Hals dürfen sich nicht hoch- und runterbewegen.«
    »Okay, profe. «
    »Hör mit dem Quatsch auf. Du hast ausgesehen wie ein Kamel.«
    Aus unergründlicher Ferne erreichen mich die Klänge einer Art Akkordeon.
    Jede Note ein Bedauern, ein verschwommenes Gesicht, das mich ansieht und mir bekannt vorkommt.
    »Noch mal von vorne: eins – rechts zurück.«
    Ich bin brav und gebe mein Bestes. Lauras Hände sind kühl, sie schwitzt nicht, mein Ehering verschwindet zwischen ihren Fingern.
    »Vier – links vor … Die Hälfte hast du schon geschafft, weiter so.«
    Wir landen vor dem Fenster.
    »Klappt schon besser … Nein, acht – links ran, Ausgangsposition.«
    »Entschuldige, ich

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